Düsterbruch - Almstädt, E: Düsterbruch
einen Moment in die Betrachtung des riesigen Schiffsmodells versunken zu sein. »Sie hat es gefunden«, sagte er dann. »Jemand hatte es versteckt. Ich weiß selbst nicht, wieso es wichtig ist.«
»Wo gefunden? Der Ring lag doch nicht auf der Straße herum.«
»Nein, im Haus der Seesens. Bevor Jörg Seesen meine Schwester heiratet, möchte ich absolut sicher sein, dass dort alles in Ordnung ist.«
»Woher stammt der Ring, und weshalb ist er wichtig?«
»Keine Ahnung. Das ist Ihre Aufgabe.«
»Sie müssen mir schon ein wenig mehr mitteilen. Wo genau hat Ihre Freundin Nadja den Ring denn gefunden, sodass sie sich bemüßigt sah, ihn an sich zu nehmen?«
»Er wurde versteckt. Mehr weiß ich nicht.«
»Vielleicht sollte ich doch Ihre Schwester danach fragen«, meinte Pia, die langsam ungeduldig wurde.
»Nein!« Markows Ton war trotz der gedämpften Lautstärke plötzlich schneidend.
»Dann Jörg Seesen?«, hakte sie weiter nach.
»Das ist eine Möglichkeit.«
»Woher weiß ich, dass Nadja Ivanova nicht lügt?«
»Sie steht auf meiner Liste.«
Pia zog die Augenbrauen hoch.
»Auf meiner Gehaltsliste.« Er lächelte. »Und die ist lang.«
»Hat der Ring etwas mit den Morden in Düsterbruch zu tun?«
»Eine gute Frage, Frau Korittki. Aber ich kann sie Ihnen nicht beantworten. Ich hätte selbst gern ein paar Antworten.«
Pia rieb sich die Stirn. Sie drehten sich im Kreis. Wusste Markow wirklich nicht mehr? Sie beschloss, die Sache von der anderen Seite aus anzugehen. »Es gibt Hinweise darauf, dass die Morde an André und Mona Falke in Zusammenhang mit einem Drogenhändlerring stehen, der vor knapp zwei Jahren in Norddeutschland aktiv war. Die Vorgehensweise spricht dafür, dass es ein Profi war.«
»Nicht in allen Punkten. Da ist zum Beispiel der Zeitabstand, in dem die beiden Morde passiert sind. Ein Fehler, der einem Profi nicht unterlaufen wäre. Nach dem Mord an André Falke war seine Mutter vorgewarnt. Egal, wann genau sie nun umgebracht wurde – sie hätte auf jeden Fall noch genug Zeit gehabt, zu verschwinden oder sogar zur Polizei zu gehen. Ein unkalkulierbares Risiko.«
»Vielleicht wollte sie sich nicht an die Polizei wenden, weil sie selbst in ein Verbrechen verwickelt war.«
»Sie ermitteln, nicht ich.« Markow lächelte spöttisch. »Ich habe mich kooperativ gezeigt, indem ich Ihnen gesagt habe, was ich weiß. Letzten Endes ist es mir egal, wer diese Morde begangen hat, solange Oxana nicht davon in Mitleidenschaft gezogen wird.«
Oxana war sein wunder Punkt. Markows einziger Grund, überhaupt mit ihr zu reden. »Sie wissen, dass Vadim Droski in Düsterbruch war. Und dass er mit den Drogenhändlern, für die André Falke gearbeitet hat, in Kontakt stand?« Das war zumindest Lessings Annahme. Pia beobachtete Markows Reaktion darauf.
»Sie denken doch nicht, dass Droski die Falkes umgebracht hat? Warum sollte er?«
»Aus dem gleichen Grund, aus dem er auch sonst tätig wird: Jemand hat ihm Geld dafür geboten.« Markow war schließlich nicht der Einzige mit einer Gehaltsliste.
»Lessing hat Sie angesteckt.« Markow wurde nun doch lauter. »Sie bellen den falschen Baum an, Frau Korittki.« Einer seiner Bodyguards sah mit gerunzelter Stirn zu ihnen hoch. Markow nickte ihm zu. Pias Blick fiel auf die alte Hohn-und-Spott-Tafel. Sie wusste, dass Gabler und auch Lessing auf das Ergebnis dieses Gesprächs warteten – und was hatte sie erreicht?
»Markow hat dir nichts weiter über den Ring gesagt, als dass Nadja Ivanova ihn ihm gegeben hat?« Lessing klang ungläubig. Sie hatten sich nach Pias Rückkehr noch mal in dezimierter Besetzung im Besprechungsraum zusammengesetzt.
»Doch. Er hat ausgesagt, dass der Ring aus dem Haus der Seesens entwendet worden ist.« Pia nahm sich einen Schokoladenkeks aus der Dose. Einer der Anwesenden, wahrscheinlich Broders, hatte sie einladend in der Mitte des Tisches platziert. »Und außerdem wissen wir nun, dass Nadja Ivanova von Markow bezahlt wird, damit sie auf Oxana aufpasst. Das sind die sogenannten ›Spenden ihrer Landsleute‹.«
»Das ist ja nichts Neues«, fuhr Lessing sie an.
»Für mich schon«, entgegnete Pia und nahm sich einen zweiten Keks. Sie spürte seine Frustration darüber, bei dem Gespräch mit Markow nicht dabei gewesen zu sein, fast körperlich. Es war wie das unhörbare Dröhnen eines Basses in ihrem Zwerchfell. Du solltest nicht mit Markow flirten, sondern ihn ausfragen, schien sein Blick zu sagen. Die Antwort auf die Frage, wieso er
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