Duestere Verlockung
schon immer geliebt, mit dem Barkeeper zu flirten, egal wie gutaussehend oder interessant der nun war. Für sie war es wie eine Herausforderung an sich selbst, kostenlose Drinks abzustauben. Nicht, weil sie zu wenig Geld hatte, sondern weil es sie unglaublich stolz auf sich selbst machte, als hätte sie das Unmögliche erreicht. Biss der Barkeeper dagegen nicht an, stürzte sie sich meistens schnell auf die Männer in der Umgebung, um wenigstens von denen einen ausgegeben zu bekommen. Ich stand meistens leicht beschämt daneben, hielt mich im Hintergrund, fand es immer etwas peinlich wie Rachel sich anbiederte, nur um ihr Selbstbewusstsein durch die Anerkennung wildfremder Männer zu erhöhen. Mir selbst war es sogar eher unangenehm, wenn mir ein Mann einen ausgeben wollte. Ich wußte, dass der Mann dann etwas erwartet- Etwas, dass ich ihm vielleicht nicht geben will. Daher bevorzugte ich, meine Rechnung selbst zu zahlen. Okay, bis auf den Abend im Restaurant mit David, wo ich verwirrt und verstört raus gerannt bin und ihm die Rechnung für den Wein überlassen habe. Und schon war er wieder in meinen Gedanken.
„Was für ein blöder Typ, zehn Dollar pro Margarita. Nicht einmal einen kleinen Rabatt wollte er mir geben.“ Rachel unterbricht entnervt meinen Gedankenfluss und hält mir das Margaritaglas mit dem goldenen Schirmchen vor die Nase. „Egal, mischen wir uns unter die Leute!“
Ich hätte ihr am liebsten gesagt, dass ich es bevorzugen würde, einfach mit ihr irgendwo am Tisch zu sitzen und zu plaudern, anstatt mich zwischen viel zu viele Leute auf der Tanzfläche zu drängen, aber Rachel griff schon nach meiner Hand und zog mich energisch hinter sich her. Irgendein poppiges Lied von Rihanna schallt aus dem Lautsprechern, während Rachel nun beginnt, sich wild auf der Tanzfläche zu bewegen, während ich meine eher zurückhaltenden Tanzbewegungen zum Besten gebe. Es dauert nicht lange, da stehen zwei Typen neben uns. Einer beugt sich vor zu Rachels Ohr, die sofort interessiert ihren Kopf in ihre Richtung streckt. Die Musik ist so laut, dass ich kein Wort verstehe und so tanze ich einfach weiter, als wäre nichts geschehen. Der erste Typ streckt nun die Hand nach Rachel aus, sie greift nach ihr und lächelt ihn breit an, dasselbe mit dem zweiten Typ, dann drehen sich die beiden zu mir und strecken auch mir ihre Hände hin.
„Hi, ich bin Brian und das ist mein Freund Carl. Habt ihr Lust auf ein paar Shots drüben an der Bar?“
Ich sehe sofort Rachel an, hoffe, dass sie verneint und die Beiden weg schickt. Gut möglich, dass dieser Brian und dieser Carl zwei echt nette Typen sind, aber gerade habe ich einfach gar keine Lust auf hohle Flirts und die typischen „Wo kommst du her, was machst du hier so“-Gespräche. Rachel jedoch lächelt mich an als hätte sie gerade ein Auto gewonnen und so kann ich wohl schlecht verneinen. Noch weniger Lust habe ich, allein auf der Tanzfläche zu stehen und so folge ich, als die Drei sich Richtung Bar schlängeln.
„Also Mädels, bevor wir euch erzählen, was wir für tolle Typen sind, erst mal einen Shot! Tequila?“
Dieser Brian ist mir damit sofort unsympathisch, auch wenn er das mit den „tollen Typen“ wahrscheinlich nur als Witz gemeint hat. Obwohl sein Freund Carl noch gar nichts gesagt hat, ist der mir damit definitiv sympathischer. Carls gesamte Erscheinung ist mir im Grunde sympathischer. Während Brian in dieser nicht besonders schicken Bar tatsächlich im Anzug mit Krawatte und nach hinten gekämmtem Haar aufgekreuzt ist, trägt Brian einfach Jeans und ein grünes Shirt mit dem Logo von „Black Flag“, einer meiner Lieblingsbands. Sein dunkles Haar steht strubbelig von seinem Kopf ab und er trägt einen Dreitagebart, was ihm ein viel lockereres Auftreten verleiht als Brian. Rachel hat natürlich nur Augen für Brian, sie steht auf die Art von Mann, die ohne ein piekfeines Hemd und Lederschuhe nicht das Haus verlassen. Da steht er nun vor mir, mein Whiskey Shot, bereit, von mir runtergekippt zu werden. Rachel, Brian und Carl haben ihre Shotgläser bereits in der Hand, halten sie mir zum Anstoßen entgegen. Ich greife nach meinem, stoße es klirrend gegen die anderen Gläser und kippe mir das bittere Getränk in meinen Mund, schlucke es herunter, bevor mir die Tränen durch den für mich viel zu starken Geschmack hochkommen.
„Also Mädels, was macht ihr denn so in New York?“ fragt Brian und zeigt dem Barkeeper
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