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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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wahr.
    Doch schließlich musste ich richtig eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder aufmachte, war es Tag. Dr. Lesage stand über mich gebeugt und fühlte meinen Puls.
    »Jetzt wollen wir dich mal gründlich untersuchen, junger Herr Frankenstein«, sagte der Arzt und half mir behutsam, mich aufzusetzen. Schlaff ließ ich sein gründliches Beklopfen über mich ergehen. Er schien sich dabei wirklich Zeit zu lassen, was mich nur noch mehr durcheinanderbrachte.
    »Es ist dieselbe Krankheit wie die von Konrad«, krächzte ich.
    »Ich rede jetzt mit deiner Mutter«, sagte der Arzt und damit ging er aus dem Zimmer.
    Die nächsten Minuten kamen mir wie Stunden vor. Ich blickte aus dem Fenster und sah den Sonnenschein, und es war, als hätte das nichts mit mir zu tun. Es war eine andere Welt, von der ich für immer abgeschnitten war. Ich wusste genau, welche Nachricht ich zu hören bekommen würde.
    Schließlich kamen dann nicht Mutter oder Vater, sondern Elizabeth. Ihre Augen flammten vor Zorn.
    »Du bist überhaupt nicht krank!«, sagte sie.
    »Was?«, stieß ich hervor.
    Sie setzte sich zu mir auf die Bettkante und brach in Tränen aus. »Dir geht es gut«, sagte sie. »Dr. Lesage meint, mit dir sei alles in bester Ordnung.«
    Die Kraft des Geistes muss eine wundersame Sache sein, denn von dem Augenblick an spürte ich, wie mein Fieber und meine Krankheit nachließen. Ich setzte mich auf und tätschelte ihr die Schulter, doch sie schlug meine Hand weg.
    »Das war kein Theater von mir«, protestierte ich. »Ich hab mich wirklich … ich hab mich schrecklich gefühlt, als hätte mich meine ganze Kraft verlassen.«
    »Du hast uns alle in Angst und Schrecken versetzt«, sagte sie. »Und dabei war alles nur in deinem Kopf.«
    »Aber das wusste ich doch nicht«, gab ich zurück, doch ich kam mir dumm vor und schämte mich. Und ich war plötzlich eifersüchtig, denn mir wurde klar, dass sie nicht wegen mir, sondern wegen Konrad weinte.
    »Dr. Lesage sagt, das sei nicht so überraschend«, sagte sie und wischte sich die Augen.
    »Was denn?«
    »Er hat so was bei Zwillingen schon mal erlebt. Er weiß von einem, der vor Schmerzen schrie und seinen Arm wochenlang nicht gebrauchen konnte, nachdem der Arm seines Bruders bei einem Unfall von einer Maschine zertrümmert worden war.«
    »Ich muss zu Konrad«, sagte ich. »Wie geht es ihm?«
    Ich stand auf, und erst da wurde mir klar, dass ich noch im Nachthemd war. Obwohl Elizabeth und ich zusammen aufgewachsen waren, war ich nun befangen vor ihr in dieser spärlichen Bekleidung. Ich sah, wie ihre Wangen rot wurden, bevor sie sich wegdrehte.
    »Das Fieber ist nicht mehr so hoch.«
    »Das ist eine gute Nachricht.«
    »Es wäre besser, wenn das Fieber ganz weg wäre.«
    »Weiß Dr. Lesage inzwischen, was für eine Krankheit es ist?«, fragte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Er weiß nur, dass es sich um keine typische Infektion handelt und dass es nicht ansteckend ist. Etwas ist in Konrad gefangen, das nur er allein bekämpfen kann.«
    »Komm, lass uns jetzt gleich zu ihm gehen«, sagte ich.
    »Ach, Victor«, begrüßte mich Konrad. »Ich hab gehört, du bist mal wieder kurz am Tod vorbeigeschrammt.«
    »Das war eine Scheinkrankheit«, gestand ich verlegen ein.
    Er legte seine Hand auf meine. »Mach keine Dummheiten, kleiner Bruder«, sagte er.
    »Natürlich«, beruhigte ich ihn. »Aber es wäre schon besser, wenn du nicht hier faul rumliegen, sondern auf mich aufpassen würdest.«
    »Ich bin bald wieder auf den Beinen. Heute fühle ich mich schon kräftiger.«
    Elizabeth strahlte mich an. Konrads Zimmerfenster standen weit offen, und der Duft von frisch gemähtem Gras wehte herein, zusammen mit den plätschernden Geräuschen des Sees, und es schien, als würde allein der Frühling schon ausreichen, um jede Krankheit zu heilen.
    »Du hast Mutter in Angst und Schrecken versetzt«, bemerkte ich.
    Er verdrehte die Augen. »Alle regen sich auf wegen nichts. Erinnerst du dich an Karl Fancher? Zwei Wochen lang hat er mit Schüttelfrost dagelegen und dann war er von einem Tag auf den anderen gesund. Ich bin bald wieder auf den Beinen.«
    »Gut«, sagte ich. »Denn Henry und Elizabeth haben an einem neuen Stück gearbeitet und diesmal sollst du der Held sein.«
    »Hervorragend«, sagte er.
    Aber als er dann später aufzustehen versuchte, hatte er nicht die Kraft, länger als eine Minute ohne zu zittern auf den Beinen zu bleiben. Sein Gesicht sah ausgemergelt aus.
    Er war so schwach wie

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