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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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aufgefallen war. Vermengt mit dem Muff und Staub war da Angst, Unruhe – und eine unerschütterliche Spur von hungriger Erwartung.
    »Machen wir uns an die Arbeit«, sagte ich und hielt mein Licht an die Regale mit den rissigen Lederbänden. »Wir suchen nach allem, das mit Heilen zu tun hat.«
    »Was für ein Ort«, murmelte Henry.
    Auf einem der verstaubten Tische machten wir Platz. Nachdem wir einige Bücher herausgesucht hatten, verteilten wir die Bände um uns herum, schoben sie hin und her, wenn wir bei der Übersetzung Hilfe brauchten oder eine Schrift so dünn und krakelig war, dass sie im Dämmerlicht unserer Kerzen fast nicht mehr zu erkennen war.
    »Hier ist was«, sagte Henry und schaute eifrig auf. »Es ist die Occulta Philosophia .«
    »Das ist das Buch, das ich bei unserem ersten Besuch hier herausgenommen habe«, sagte ich zu Elizabeth. »Das von Agrippa.«
    »Was hast du gefunden?«, fragte sie.
    Sein Blick überflog die Seite, und er fing an vorzulesen, wobei er langsam aus dem Lateinischen übersetzte: »Aus der großartigen Gelehrsamkeit vergangener Zeiten und meinem eigenen modernen Wissen habe ich eine Rezeptur geschaffen … die große Macht hat, allen menschlichen Leiden Abhilfe zu verschaffen. Nicht nur Abhilfe zu verschaffen, sondern auch das Leben zu verlängern … sodass der, der diese Rezeptur sich einverleibt, jegliche Todesart von sich abwendet außer einer, die gewaltsamer Natur ist, und er wird sich einer Vielzahl von Jahren erfreuen wie einst Methusalem.«
    »Methusalem?«, fragte ich mit gerunzelter Stirn. »Den Kerl kenne ich nicht.«
    Elizabeth seufzte. »Hast du denn nie die Bibel gelesen, Victor?«
    »Ich kann nicht alle Namen behalten.«
    »Methusalem«, sagte Elizabeth, »hat ungeheuer lang gelebt.«
    »Wie lange?«
    »Neunhundertneunundsechzig Jahre«, antwortete Henry, der immer noch in den Folianten vor sich blickte.
    »Lies weiter«, forderte ich ungeduldig.
    »Und so«, fuhr Henry fort, »habe ich nach vielen Jahren fehlgeschlagener Versuche letztendlich das Elixier des Lebens vervollkommnet und hiermit nach der Art des Paracelsus übertragen und für alle Zeitalter niedergeschrieben.«
    Ich warf mich über den Tisch und riss Henry das Buch aus der Hand. »Das Elixier des Lebens! Das ist genau das, wonach wir suchen. Wo ist diese Rezeptur?«
    Nun hatte ich das Buch vor mir und suchte nach der richtigen Stelle. Ich sah den lateinischen Text und fand die Worte Vita Elixir , doch danach folgte eine Schrift, die mir noch nie vor Augen gekommen war.
    »Was ist das?«, wollte ich wissen und stieß mit dem Finger auf die Seite.
    Henry stand auf und beugte sich über den Band. »Wenn du mir das Buch nicht weggerissen hättest, dann hätte ich einen Blick drauf werfen können. Aber wie es aussieht, weiß ich es auch nicht.«
    »Elizabeth«, fragte ich, »wirst du daraus schlau?«
    Sie zog ihren Stuhl näher. »Aramäisch ist es nicht«, meinte sie. »Und auch kein Sanskrit.«
    Auf jeden Fall sah es ziemlich seltsam aus, lauter Bögen und Haken und Schnörkel. Das ging so über zehn Seiten.
    »Was für ein Quatsch«, brummte ich und blätterte weiter, weil ich nach einer Art Wörterbuch oder Decodierungsschlüssel für die Übersetzung suchte.
    »Du bist zu hastig, Victor«, meinte Elizabeth. »Wie immer.«
    Nun klang sie genau wie Konrad und ich runzelte verärgert die Stirn.
    »Blättere mal zurück«, sagte sie. »War da nicht ein Hinweis in dem Teil davor?«
    »Was meinst du?«
    Sorgfältig schlug sie die Seiten zurück. »Hier! Da hat er geschrieben: ›Nach der Art des Paracelsus übertragen‹. Was ist Paracelsus?«
    »Oder wer?«, fragte ich.
    Ich war mir fast sicher, das Wort auf einem Buchrücken gesehen zu haben. Ich stand auf, eilte zu den Regalen und suchte mit den Augen die Einbände ab.
    Hätte meine Kerze nicht solche Schatten geworfen, hätte ich es übersehen. Denn das Gold der verzierten Buchstaben war fast vollständig abgeblättert und hatte nur eine Reihe von Abdrücken hinterlassen.
    PARACELSUS.
    Und dann, weiter unten auf dem Rücken, wieder fast farblos, der Titel: Das Archidox der Zauberei.
    »Paracelsus«, sagte ich, nahm den Band vom Regalbrett und hielt ihn triumphierend über meinen Kopf, was ich sofort bereute, denn ein rußiger Staubschauer rieselte auf mich herab.
    »Vorsichtig, Victor!«, sagte Elizabeth, kam schnell zu mir und nahm mir das Buch aus der Hand. Verlegen überließ ich es ihr.
    Sie brachte das Buch zum Tisch, und nun konnte ich

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