Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
darüber zu wissen«, konterte ich und log dann nur ein bisschen: »Wir haben eine Übersetzung für das Alphabet der Magier gefunden.«
»Das ist verloren!«
»Wir haben eines gefunden. Bestimmt hat du nicht jedes einzelne Buch aus der Dunklen Bibliothek gelesen!«
Das war riskant gespielt, ich weiß. Ich sah, wie Vater eine drohende Haltung annahm, doch dann schaffte er es, sein Temperament zu zügeln.
»Victor, du hast keine Ahnung, welche Gefahr ein solches Elixier darstellt. Das sind keine richtigen Heilmittel!«
»Wie das von Dr. Murnau etwa?«, platzte es aus mir heraus.
Schweigend blickte er mich an.
»Konrad hat es mir erzählt«, sagte ich. »Wir haben keine Geheimnisse voreinander. Aber du hast eins vor Mutter. Seine Krankheit kommt vielleicht zurück.«
Vater wirkte plötzlich erschöpft. »Es gibt eine kleine Chance.«
»Und beim nächsten Mal stirbt er vielleicht! Wie kannst du dich da bequem zurücklehnen und nichts tun? Warum vertraust du den Vermutungen von Dr. Murnau und nicht denen von irgendjemandem sonst? Warum nicht denen von Agrippa? Es gibt Berichte, wie erfolgreich …«
»Jetzt werde nicht albern. Dr. Murnaus Methoden stützen sich auf Jahrhunderte ordentlicher wissenschaftlicher Forschungen.«
In diesem Augenblick wurden wir unterbrochen. Die Tür zum Arbeitszimmer ging auf und Elizabeth und Konrad, warm verpackt, wurden von Mutter hereingeführt.
»Sie wollten wissen, wie es dir geht«, sagte Mutter zu mir.
»Der Patient wird überleben«, meinte Vater.
Konrad musterte mich und fragte sich bestimmt, wie viel ich von unserem Abenteuer preisgegeben hatte. Ich schämte mich. Unter Vaters Verhör war ich zusammengebrochen. Ich hatte ihm zwar nicht alles erzählt, doch viel zu viel.
»Es scheint«, sagte Vater zu unserer Mutter, »dass die Kinder versucht haben, die Bestandteile für ein alchemistisches Gift zu finden. Für nichts Geringeres als ein Elixier des Lebens.«
Die jähe Überraschung in Mutters Gesicht sagte mir, dass Konrad und Elizabeth nur sehr wenig gestanden hatten.
»Ihr habt gesagt, ihr hättet euch beim Erforschen der Höhlen verirrt!«, rief sie und sah ernsthaft verletzt aus. »Wie lange geht das jetzt schon so?«
»Seit Konrad krank geworden ist«, murmelte Elizabeth. »Wir wollten ihn heilen.«
Mutter runzelte die Stirn. »Aber warum habt ihr damit weitergemacht, nachdem Dr. Murnau ihn geheilt hat?«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Vater mit Konrad einen Blick wechselte, als wollten sie sich gegenseitig an das Geheimnis zwischen ihnen erinnern.
»Ein Elixier des Lebens zu haben, wäre großartig«, sagte Konrad. »Ich muss zugeben, ich habe einfach dem Abenteuer, das damit verbunden ist, nicht widerstehen können.«
»Ihr müsst dieses düstere Unternehmen aufgeben«, sagte Vater entschieden. »Damit ist jetzt Schluss! Ist das klar?«
»Ja«, sagten Konrad und Elizabeth.
»Victor, ich glaube, ich habe dich nicht gehört.«
»Ja«, brummte ich.
»Ihr habt euer Leben in Gefahr gebracht. In diesen Höhlen hättet ihr leicht umkommen können. Und das solltet ihr wissen: Die Ausübung von Alchemie ist nicht nur unergiebig, sie verstößt in dieser Republik auch gegen das Gesetz. Bestimmt wart ihr euch dessen nicht bewusst.«
Ich nickte überrascht. Ich erinnerte mich daran, dass Polidori erzählt hatte, ihm persönlich sei die Ausübung alchemistischer Kunst verboten worden, aber mir war nicht klar gewesen, dass sie allgemein als Verbrechen galt.
»Vor einigen Jahren«, fuhr Vater fort, »haben wir einen Alchemisten vor Gericht gestellt, der ein bestimmtes Elixier anwandte. Die Patienten haben willig dafür bezahlt und es vertrauensvoll getrunken. Einige wurden davon noch kränker, einer starb. Um weitere Tragödien zu vermeiden, haben die anderen Richter und ich entschieden, ein Gesetz zu verabschieden, das es verbietet, mit alchemistischen Arzneien Geld zu verdienen oder sie zu verabreichen.«
»Das haben wir nicht gewusst«, murmelte Elizabeth zerknirscht.
»Ich kann es nicht zulassen, dass meine eigenen Kinder sich gegen die Gesetze des Landes stellen«, sagte Vater.
»Nein, Vater«, stimmte Konrad zu.
»Und während ich die Selbstlosigkeit und Liebe bewundere, die eure Unternehmungen beflügelt haben«, sagte Vater, »bin ich doch sehr enttäuscht, wie ihr eure Mutter und mich hintergangen habt.«
Ich schaute ihn kalt an und dachte, was für ein Heuchler er doch war. War er denn nicht unehrlich Mutter gegenüber, wenn er ihr nicht die
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