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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Leben lang bewundert hatte, dessen Worten ich restlos vertraut hatte, war ein Lügner. Das Geheimnis, das er vor Mutter zurückhielt, war eine Sache, ein kleiner Betrug, um sie vor Sorgen zu schützen. Doch das hier war etwas ganz anderes. Er hatte uns von der Dunklen Bibliothek ausgeschlossen und uns gesagt, die Alchemie sei nichts als Unsinn. Und die ganze Zeit hatte er ihre Macht gekannt. Er hatte Blei in Gold umgewandelt! Warum also hatte er uns verboten, ein Elixier des Lebens zu machen, auch wenn das vielleicht eines Tages das Leben seines eigenen Sohns retten würde? Ich verstand das nicht.
    Ich zwang mich dazu, tief Luft zu holen, und als mein Herzschlag wieder ruhiger wurde, wusste ich, was ich machen würde.
    Ich würde es nicht länger zulassen, dass man mich davon abhielt. Es fehlte nur noch eine Zutat. Nur noch eine und dann hätte ich das Elixier.
    Nach dem Frühstück ging ich hinunter in die Räume der Dienerschaft. Ich fand Maria in ihrem Büro, wo sie die Rechnungen durchging.
    Sie blickte auf. »Victor, wie geht es dir heute?«
    »Ich genieße so richtig meine Gefangenschaft, danke, Maria.«
    Unter der Dienerschaft war allgemein bekannt, was für ein Abenteuer wir hinter uns hatten, wobei Vater allerdings sorgfältig darauf geachtet hatte, den Anteil von Alchemie nicht zu erwähnen. Selbst bei dem treuesten Personal könnten sich Gerüchte schnell außerhalb des Schlosses verbreiten und den ruhmvollen Ruf unserer Familie beflecken.
    »Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«, fragte Maria – ein bisschen zurückhaltend, wie ich fand.
    »Heute ist doch dein Stadttag, oder?« Normalerweise fuhr sie mit einem der Mädchen nach Genf, um dort den Einkauf von Vorräten, die wir nicht in Bellerive bekamen, zu überwachen.
    »So ist es.«
    »Würdest du vielleicht eine Nachricht für mich überbringen?«
    »Natürlich. An Henry Clerval, nehme ich an.«
    Ich schloss die Bürotür hinter mir. »Nein«, sagte ich. »An Julius Polidori.«
    Einen Moment lang blieb sie still. »Du hast ihn also gefunden«, sagte sie, denn sie und ich hatten nicht mehr darüber gesprochen, seit sie mir vor Wochen den Namen genannt hatte.
    Ich nickte. »Mit seiner Hilfe haben wir die Bestandteile des Elixiers des Lebens zusammengetragen.«
    Sie bekam große Augen. »Bist du sicher, dass dein Vater …?«
    »Er weiß nicht, dass Polidori beteiligt ist. Und das soll er auch nicht wissen. Aber wir stehen dicht davor, das Elixier zu erschaffen, und ich muss Polidori über unsere missliche Lage informieren.«
    »Victor«, sagte sie und unterbrach sich, als jemand an der Tür vorbeiging, »das ist doch sicher nicht mehr notwendig, jetzt, wo Konrad wieder gesund ist.«
    »Es kann sein, dass er nur vorübergehend geheilt ist«, antwortete ich. »Vater will nicht, dass jemand das weiß, selbst Mutter nicht.«
    »Ich verstehe«, sagte sie erschrocken. Es gefiel mir nicht, diese Information preiszugeben, aber ich brauchte alle Munition, die mir zur Verfügung stand.
    »Überbringst du meine Nachricht?«
    »Nur sehr ungern«, sagte sie ganz offen. »Als ich von eurem Abenteuer in den Höhlen gehört habe … Es ist ein Wunder, dass ihr nicht alle umgekommen seid.«
    »Aber Maria, du hast uns doch geholfen, diesen Weg zu gehen«, erinnerte ich sie.
    Die Finger ihrer linken Hand rieben nervös über die Armstützen ihres Stuhls. »Ich weiß, und ich denke, das war falsch von mir.«
    »Es ist doch nur eine Kleinigkeit, ihm eine Nachricht zu überbringen – und auf seine Antwort zu warten.«
    »Dein Vater wäre wütend, wenn er das herausfände.«
    »Aber er findet es nicht heraus«, sagte ich. »Genau wie er nicht herausgefunden hat, dass du es warst, die uns von Polidori erzählt hast.«
    Sie blickte mich besorgt an. »Ich tu das bloß um Konrads willen.«
    »Ich weiß«, antwortete ich. »Ich weiß. Aber wir müssen nun mal gegenseitig unsere Geheimnise bewahren.«
    Ganz sicher dachte sie, ich würde ihr drohen, obwohl ich nie etwas getan hätte, um sie in Schwierigkeiten zu bringen. Aber vielleicht war es hilfreich, wenn sie das von mir dachte.
    »Also gut«, sagte sie sehr widerstrebend. »Gib mir die Nachricht. Ich werde deine Botin sein.«
    Ich gab ihr die Mitteilung, bereits geschrieben und mit Wachs versiegelt. »Und noch eines, Maria. Sag ihm nicht, wer du bist oder für wen du arbeitest.«
    Am Abend schlüpfte ich wieder hinunter zu Maria. Sie schaute mich kaum an, als sie mir einen versiegelten Brief gab. Und dann überlief sie ein

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