Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
ganze Wahrheit über Konrads Krankheit sagte?
»Für die nächsten zwei Wochen stelle ich euch drei unter Hausarrest. Kein Ausreiten. Keine Bootsfahrten. Ihr werdet nicht über den inneren Hof hinausgehen und keine Besucher empfangen.«
»Nicht mal Henry?«, rief ich.
»Besonders Henry nicht«, fuhr Vater mich an. »Er war euer Komplize!«
»Der hat nun wirklich nicht so viel gemacht«, brummte ich, und Konrad konnte ein Lachen nicht unterdrücken.
»Er war ein Meister der Zurückhaltung«, bemerkte Elizabeth und verkniff sich ein Lächeln, »weil er sich die Dinge auch so bestens vorstellen konnte.«
Und dann bekamen wir drei einen unbeherrschbaren Kicheranfall, trotz unserer Erschöpfung und der Aussicht auf zwei Wochen Gefangenschaft.
»Irgendwie müssen wir Polidori eine Nachricht schicken«, sagte ich leise.
Wir hatten bis tief in den Morgen geschlafen, und nach einem späten Frühstück trafen wir uns im Ballsaal, wo wir auf dem Balkon stehen und den herrlichen Sommer betrachten konnten, der uns für zwei Wochen verboten war.
»Wir müssen irgendwie erfahren, ob er den Quastenflosserkopf von Henry bekommen hat, und wir müssen ihn wissen lassen, dass wir ihn vierzehn Tage lang nicht besuchen können.«
Ich war sehr besorgt, was Henry dem Alchemisten erzählt haben mochte, denn ich wollte nicht, dass Polidori dachte, wir hätten ihn verraten oder unseren Plan aufgegeben.
Konrad atmete tief aus. »Victor, wir haben versprochen, mit diesem Abenteuer aufzuhören.«
Ich sah ihn überrascht an. »Ja, aber wir haben doch gelogen.«
Er warf Elizabeth einen Blick zu, als hätten sie bereits ohne mich darüber gesprochen.
»Vielleicht ist es am besten, wenn wir wirklich damit aufhören«, meinte sie.
»Wieso ist das am besten?«, wollte ich wissen.
»Wir hätten sterben können, Victor«, sagte sie erstaunt.
»Ja, weiß ich. Ich war kurz davor, von einem Fisch verspeist zu werden. Aber wir können jetzt nicht aufgeben. Wir müssen nur noch eine letzte Zutat finden! Konrad, du bist es doch gewesen, der weitermachen wollte.«
»Das bereue ich jetzt. Ich bin Vaters Meinung, wir jagen einer Illusion nach. Es gibt keinerlei Beweise, dass diese alchemistischen Heilmittel funktionieren.«
Elizabeth nickte und ich sah sie verwundert an. »Du hast gesehen, wie das Buch sich bewegt hat. Du hast sein Blut gerochen.«
»Ich weiß nicht mehr, was ich gesehen oder gerochen hab.«
»Hast du nicht gesagt, der Raum sei in rotes Lampenlicht getaucht gewesen?«, fragte Konrad sie. »Das hat vielleicht die Wirkung hervorgerufen von …«
»Du bist nicht dabei gewesen«, erinnerte ich ihn scharf. »Wenn du dabei gewesen wärst, hättest du die Kraft des Buches und die von Polidori gespürt, so wie Elizabeth und ich.«
»Ich finde es merkwürdig«, sagte Elizabeth an mich gewandt, »dass du nicht an Gott glaubst, aber mehr als bereit bist, an alchemistische Wunder zu glauben.«
»Die Sicht des Wolfs. Das Feuer ohne Flamme. Es sind vielleicht Wunder, aber sie sind real. Das ist Wissenschaft, nur unter einem anderen Namen.«
Konrad schnaubte. »Vater denkt nicht so.«
»Gerade jetzt«, sagte Elizabeth, »bin ich besonders dankbar, am Leben zu sein. Und ich meine, wir sollten die ganze Angelegenheit in Gottes Hand legen.«
Konrad nickte leicht.
»Hat sie dich bekehrt? Du hast doch nie an Gott geglaubt.«
»Sie kann sehr überzeugend sein«, sagte Konrad lächelnd, und Elizabeth wurde rot, als sie einander zärtlich anblickten.
»Und er hat dich auch bekehrt«, sagte ich zu ihr und tarnte meinen eifersüchtigen Schmerz mit Ärger. »Bei unseren Abenteuern warst du so mutig und jetzt willst du dich feige geschlagen geben.«
Sie wollte mir nicht in die Augen blicken. »Wir sehen die Dinge eben verschieden, Victor.«
»Also«, fuhr ich sie an, »ich ziehe es vor, etwas zu unternehmen. Aber wenn ihr lieber rumhängt und auf Wunder hofft, macht nur weiter so.«
»Victor, du hast doch schon dein Leben für mich riskiert«, sagte Konrad ruhig. »Ich kann mir keinen größeren Beweis brüderlicher Liebe vorstellen. Das werde ich nie vergessen. Doch jetzt bitte ich dich, aufzuhören.«
»Aber …«, fing ich an und schon unterbrach er mich wieder
»Mein Wort sollte hier doch sicher mehr zählen«, sagte er. »Es geht um mein Leben. Und ich sage, Schluss damit. Im Ernst, lassen wir die Sache hinter uns.«
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
Am nächsten Morgen wachte ich mit einem unerwarteten Wohlgefühl
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