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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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Polidoris teuflischen Stock zu erwischen, doch plötzlich sprangen aus dem unteren Teil seines Stuhls zahlreiche lange, bösartig scharfe Klingen hervor. Eine verfehlte nur um Haaresbreite mein Bein, als ich auf einen Arbeitstisch sprang, wobei jede Menge Glas zu Bruch ging.
    »Pass auf!«, schrie ich Elizabeth zu. »Sein Stuhl ist voller scharfer Klingen!«
    Polidori schnappte sich wieder seinen Stock und ging nun auf Elizabeth los. Wie ein Dämon saß er in seinem Rollstuhl, ritt ihn wie ein bösartiges, mit Stacheln versehenes Schlachtross und trieb sie in eine Ecke.
    Vom Tisch griff ich mir eine schwere Flasche mit einer übel riechenden Flüssigkeit und schleuderte sie Polidori an den Schädel. Sie zerschellte, und sofort begann seine Perücke zu qualmen, begann zu schmelzen, ätzende Dämpfe stiegen auf. Er schrie laut und riss sich die Perücke vom Kopf. Auf der kahlen Haut waren bereits ein paar rote Stellen zu sehen.
    Fluchend ließ er von Elizabeth ab und raste auf das Waschbecken zu. Das gab ihr die Chance, sich aus der Ecke zu befreien, und zusammen eilten wir zu Henry, der immer noch auf dem Boden lag und leise stöhnte. Er war am Leben! Ich rüttelte ihn kräftig.
    »Henry! Steh auf! Steh auf!«
    Benommen öffnete er die Augen. Ich sah mich hektisch um. Polidori hielt den Kopf unter die Wasserpumpe gebeugt und versuchte, sich die Säure abzuspülen.
    »Wir müssen weg!«, rief Elizabeth und half mir, Henry auf die Beine zu zerren. »Der Fahrstuhl!«
    »Nicht ohne das Elixier!«, sagte ich.
    Ich schnappte mir den Feuerhaken von Elizabeth und rannte zu Polidori hinüber.
    Noch bevor ich ihn erreichte, wirbelte er den Rollstuhl herum, um mir die Stirn zu bieten. Sein Gesicht war aschgrau und voller Verätzungen und er strahlte eine solche Wut aus wie ein Brennofen die Wärme. Ich hielt Abstand von den gemeinen Klingen, seinen Stock konnte ich nicht entdecken. Polidori schob seine Hände in die tiefen Taschen seiner Weste. Bestimmt verbarg er dort das Fläschchen mit dem Elixier, denn in seinem Schoß war es nicht mehr.
    »Gib es mir«, sagte ich und hielt den Feuerhaken drohend in Schulterhöhe. »Es enthält nur mein Knochenmark. Für jemand anderen außer meinen Bruder ist es nutzlos.« Mein Magen krampfte sich zusammen. »Oder war das auch eine Lüge?«
    »Das war es in der Tat. Jedes Mark hätte genügt.«
    Wir waren also nur Polidoris Schachfiguren gewesen, die er benutzt hatte, um die Zutaten einzusammeln und Teile unseres Körpers zu opfern. Ich spürte eine rasende Wut in mir aufsteigen und sie war mir hochwillkommen.
    »Du Ungeheuer!«, zischte ich.
    »Ich wollte nicht, dass es so abläuft, junger Herr«, sagte er mit einer Spur echten Bedauerns. »Ich hatte geplant, zwei Dosierungen des Elixiers herzustellen. Eine für Ihren Bruder, eine für mich selbst.«
    »Und warum hast du es nicht gemacht?«, wollte ich wissen.
    »Sie haben nicht genügend von der Baumflechte mitgebracht.«
    Zerknirscht musste ich daran denken, wie ich Elizabeth gedrängt hatte, die Arbeit abzubrechen, bevor das Fläschchen voll war.
    »Es ging nicht anders«, erklärte Elizabeth. »Da waren der Gewittersturm und die Geier.«
    »Ich verstehe vollkommen«, sagte Polidori. »Doch das hatte zur Folge, dass ich nur die Menge für eine Dosierung in Händen hatte. Das Gute daran für Sie war, junger Herr, dass ich nun nur das Mark von zwei Fingern brauchte und nicht von vier.«
    »Das Elixier gehört mir. Gib es her!«
    »Also gut«, sagte der Alchemist.
    Er riss beide Hände aus den Taschen. In der einen hielt er ein gelbes Pulver, in der anderen hatte er eine Art Zunderbüchse, die sofort aufflammte. Er hielt sich das Pulver an die Lippen, blies und zündete zugleich das Pulver an, sodass es wie ein Komet auf mich zuschoss.
    Ich hatte kaum Zeit, meinen Arm vor das Gesicht zu reißen, bevor die Flammen mich einhüllten. Ein übler Gestank versengte mir die Nasenlöcher und würgte mich. Irgendetwas traf mich hart, und ich stürzte zu Boden, wo ich mich hin und her wälzte, um die Flammen zu ersticken, doch zu meinem Erstaunen brannte ich überhaupt nicht. Die Flammen hatten sich offenbar selbst verzehrt, ohne mich zu versengen. Hustend rappelte ich mich auf die Beine und sah, wie Polidori auf den Fahrstuhl zuschlingerte und dabei brüllend seinen brutalen Stock schwang, um Henry und Elizabeth aus dem Weg zu treiben.
    Meine Wut ließ mich Schmerz und Erschöpfung vergessen. Ich rannte los und warf mich mit einem lauten Schrei von

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