Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)
hinten auf den Rollstuhl. Mein Gewicht brachte ihn zum Kippen, er schwankte wild hin und her, bevor er umstürzte und Polidori mit dem Gesicht nach unten auf den Boden kippte. Für einen kurzen Moment hatte ich fast Mitleid mit ihm, wie er da mit seinen dünnen, verkrümmten und zitternden Beinen herumzappelte, um sich umzudrehen.
»Victor, er hat das Elixier!«, schrie Henry.
Polidori hatte mir den Rücken zugewandt, und so musste ich um ihn herumrennen, bevor ich sah, dass er das Fläschchen tatsächlich in der Hand hielt und versuchte, den Stopfen herauszuziehen.
Ich sprang, schlug ihm das Fläschchen aus der Hand, und entsetzt beobachteten wir dann beide, wie es auf die Bodenplatten aufschlug – aber nicht zerbrach. Dann spürte ich einen Faustschlag am Kinn und mein Kopf schnellte nach hinten.
Mit verblüffender Geschwindigkeit warf er sich mit seinem Körper über mich und hielt meinen Hals mit einem seiner starken Arm umklammert.
»Du wirst mir das nicht wegnehmen«, zischte er. »Du wirst mir nicht die Chance streitig machen, wieder geheilt zu werden.«
Ich wand mich und schlug um mich, doch sein Ringergriff schloss sich immer fester um meine Kehle und schnürte mir die Luft ab.
»Gebt mir das Fläschchen!«, schrie er Henry und Elizabeth zu. »Oder ich breche ihm den Hals.«
Meine verletzte Hand zupfte nutzlos an seinem Arm. Mir verschwamm alles vor den Augen. Mein Herz schlug stürmisch und plötzlich fiel ein schweres Gewicht auf mich …
Ich bekam wieder Luft und füllte gierig meine Lunge.
Henry, den Feuerhaken fest im Griff, ragte über mir auf. Polidori war bewusstlos über meiner Brust zusammengebrochen. Ich stieß ihn beiseite und Elizabeth half mir auf die Füße.
»Gut gemacht, Henry«, krächzte ich.
»Habe ich ihn umgebracht?«, fragte er zitternd.
»Er atmet noch«, sagte ich. »Wo ist das Elixier?«
Elizabeth hielt das Fläschchen hoch und wir rannten zum Fahrstuhl. Dort starrte ich auf das Gewirr von Seilen und Flaschenzügen und verfluchte mich, dass ich nicht besser achtgegeben hatte, als Polidori sie bedient hatte.
»Ich glaube, das hier«, sagte Elizabeth und zeigte auf ein Seil.
»Henry, hilf mir!«
Wir packten das Seil und zogen, doch nichts geschah. Verzweifelt begann ich, an den anderen zu ziehen.
Vom Kellerboden kam ein Stöhnen.
»Er bewegt sich!«, schrie Henry.
»Ich bin sicher , dass es dieses hier ist!«, sagte Elizabeth und tippte es mit dem Finger an.
»Auf das hast du doch schon gezeigt!«
»Ja«, sagte sie, »weil es das richtige ist.«
»Aber es passiert nichts, sieh doch!«
»Da war ein Hebel oder eine Bremse. Daran hat er zuerst gezogen«, murmelte sie vor sich hin, blickte hektisch um sich und zog an allem Möglichen herum.
Henrys eiskalte Hand packte mich an der Schulter. Polidori hob seinen Kopf vom Boden. Ich wünschte mir, wir hätten den Feuerhaken mitgenommen. Er starrte uns an. Noch nie hatte ich eine solche Entschlossenheit und Bösartigkeit gesehen. Er beugte die Arme und begann, sich auf seinen Fäusten mit erschreckender Geschwindigkeit auf uns zuzubewegen, wobei er seinen Körper hinter sich herschleifte.
»Versucht es jetzt!«, rief Elizabeth.
Polidori war keine zwei Meter mehr entfernt.
Wir zogen an dem Seil, und diesmal spürten wir, wie der Fahrstuhl bebte und sich ein paar Zentimeter hob.
»Weiter!«, schrie ich. »Nicht aufhören!«, denn Polidori hatte die Schwelle schon fast erreicht.
Er warf sich vor und griff mit der rechten Hand nach der Kante des Fahrstuhlbodens, doch Henry und ich zogen mit aller Kraft und hatten uns gerade noch rechtzeitig außer Reichweite gebracht. Wir hörten sein ersticktes Fluchen, als er sich geschlagen gab.
»Jetzt kann er uns nicht mehr kriegen!«, schnaufte Henry.
Wir zogen weiter an dem Seil, doch wir waren so erschöpft, dass wir mit jedem Zug langsamer wurden. Meine rechte Hand war kaum von Nutzen und der Schmerz in der Wunde war grausam. Schweiß rann mir in die Augen.
Sogar zu dritt konnten wir den Fahrstuhl kaum bewegen. War er den plötzlich so viel schwerer geworden?
Und in dem Moment, als ich verstand, schoss ein Arm über die Kante und schlug auf den Boden. Wie eine grauenvolle weiße Spinne tappte die Hand herum, und noch ehe ich wegspringen konnte, umklammerte sie meinen Knöchel und riss mich von den Füßen. Ich landete hart auf dem Boden und packte verzweifelt das Seil, während an mir mit aller Macht gezogen wurde.
Polidori warf nun auch seinen zweiten Arm über die
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