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Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition)

Titel: Düsteres Verlangen: Die wahre Geschichte des Victor Frankenstein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kenneth Oppel
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seine Meinung ändern. »Wir sind reiche Leute und …«
    »Mein lieber Herr«, unterbrach mich Polidori und sah mich mit einem so freundlichen Blick an, dass ich mich fragte, ob Henry sich nicht doch geirrt hatte. »Lassen Sie uns erst einmal sehen, ob das Elixier die ersehnte Wirkung hat. Wenn dem so ist, so ist das Rezept für mich Bezahlung genug. Und für den Augenblick, haben Sie ein Beförderungsmittel, das Sie nach Hause bringt? Ich könnte nach einer Kutsche schicken.«
    »Nicht nötig, vielen Dank«, antwortete ich. »Sind Sie ganz sicher, dass es keine Möglichkeit gibt, das Elixier bereits heute Abend mitzunehmen?«
    Es schien, als wollte er erneut ablehnen, doch mit einem Seufzer nickte er. »Also gut. Ich kann verstehen, wie beunruhigt Sie wegen Ihres Bruders sind.«
    Erleichtert stieß ich die Luft aus und lächelte zu Henry hinüber. Wir hatten uns geirrt. Vielleicht war mein Freund in Griechisch doch nicht so gut, wie ich gedacht hatte.
    »Ich danke Ihnen, Herr Polidori«, sagte Elizabeth. »Das erleichtert mich sehr.«
    »Bitte haben Sie noch einen Augenblick Geduld, bis ich von oben ein Konservierungsmittel geholt habe«, meinte er und rollte sich vom Arbeitstisch fort auf den Fahrstuhl zu. »Dann wechsle ich noch einmal die Bandagen um Ihre Wunde, junger Herr, und schreibe genaue Anweisungen auf, wie die abschließende Aufbereitung durchzuführen ist, bevor das Elixier eingenommen werden kann.«
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar«, sagte ich.
    Ich blickte an Polidori vorbei zu Henry, der verzweifelt den Kopf schüttelte. Er traute dem Alchemisten immer noch nicht. Aber warum? Er fuhr doch nur nach oben, um – und da fiel es mir ein. Alle Schubfächer in seinem Laden waren vollkommen leer! Da oben konnte sich nichts befinden, was er brauchte. Mein Blick schnellte zum Arbeitstisch. Das Fläschchen mit dem Elixier war weg. Ich drehte mich um und sah, dass Polidori schon auf halbem Weg zum Fahrstuhl war.
    Er hat vor, uns hier unten in der Falle sitzen zu lassen.
    Genau im selben Moment rannten Henry und ich los und bauten uns vor Polidoris Rollstuhl auf. Überrascht schaute er uns an. Ich sah das verstöpselte Fläschchen mit dem Elixier in seinem Schoß liegen und konnte nicht verhindern, dass meine Stimme bebte.
    »Herr Polidori, ich muss Sie bitten, mir das Elixier jetzt zu geben.«
    Er lachte leise. »Gütiger Himmel, haben Sie Angst, ich würde mich damit aus dem Staub machen? In meinem Rollstuhl? Wenn Sie sich dann besser fühlen, bitte, halten Sie es selbst.«
    Mit der linken Hand streckte er uns das Fläschchen in der Lederhülle entgegen und mit der rechten zog er aus seinem Stuhl einen keulenförmigen Stock hervor. Ohne Warnung schwang er ihn meisterhaft und schlug damit Henry auf den Kopf. Der gab nicht den geringsten Laut von sich, sondern stürzte einfach zu Boden und blieb bewegungslos liegen.
    »Henry!«, schrie Elizabeth entsetzt auf.
    »Du Teufel!«, brüllte ich.
    Plötzlich schien sich Polidori in ein völlig anderes Wesen verwandelt zu haben. Der milde Gesichtsausdruck, die Miene des Geschlagenen waren verschwunden. Sein Gesicht strahlte eine rücksichtslose Kraft aus und sein Oberkörper war nicht mehr zusammengesackt. Er saß kerzengerade da und das Hemd spannte sich über seine breite Brust. Die Unterarme mit den aufgekrempelten Hemdsärmeln waren muskelbepackt.
    Er trieb seinen Rollstuhl mit solcher Kraft in mich hinein, dass er mich umstieß. Ich landete auf meiner verwundeten Hand und jaulte auf vor Schmerz.
    Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er den Stock wie die Axt eines Henkers über mich hob, und konnte mich gerade noch wegrollen, ehe das keulenartige Ende auf die Bodenplatten krachte. Polidori wirbelte gekonnt zu mir herum und hatte den Stock schon wieder erhoben.
    Wie ein Krebs krabbelte ich davon und Schmerz schoss mir durch den rechten Arm. Sein Stuhl traf mich erneut und warf mich der Länge nach auf den Boden. Mit schief sitzender Perücke blickte er finster auf mich herab. Er hatte mich dicht an die Wand gedrängt, und obwohl ich den Arm hob, um den Schlag abzuwehren, wusste ich doch, dass es nutzlos war. Mit diese Keule würde er mir die Knochen zerschmettern.
    Ein Feuerhaken traf Polidori so heftig an der Schulter, dass er aufheulte und seinen Stock fallen ließ. Ich sah, wie Elizabeth die Waffe fest umklammert hielt.
    »Schlag noch mal zu!«, rief ich.
    »Er sitzt im Rollstuhl!«, schrie sie.
    »Er will uns umbringen!«
    Ich warf mich zur Seite und versuchte,

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