Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
wie Yves. Niemand weiß, wer genau sein Vater ist.“
„Hä? Wie macht er das denn? Ich meine, sein Name dürfte ihn doch schon verraten, oder nicht?“
„Wenn sein Vater kein gut gehütetes Pseudonym hätte, ja.“ Zachary grinste mich an und trank einen Schluck Tee. „Ehrlich, ich denke, wenn sich die Gelegenheit ergibt, solltest du dich mit ihm anfreunden – auch wenn er eigentlich ein Jahr jünger ist als du.“
„Sind er und Frank ein Paar?“ Na toll, wieso fragte ich denn so was?!
„Sie sind Wohnpartner, ich habe keine Ahnung, ob sie noch mehr als das sind.“
Ach ja, stimmte ja. Im Internat gab es diese drei Häuser mit Wohnheimzimmern, aber im Grunde waren es ganze Wohnungen, die sich immer fünf Schüler teilten. Jeder hatte ein eigenes Schlafzimmer, der Rest stand für alle zur Verfügung: großes Gemeinschaftsbad, Wohnzimmer und eine kleine Teeküche.
Ich fragte mich einmal mehr, wie diese Wohneinheiten wohl aussehen würden. Aber vielleicht konnte ich das morgen herausfinden? Das Rugbyspiel erschien mir als guter Zeitpunkt, mich mal gründlich umzusehen, bevor ich eine Schuluniform tragen musste.
Wohnpartner also, das erklärte möglicherweise auch den Geruch aneinander? Mir konnte es egal sein, ob die zwei nun miteinander vögelten oder nicht. Für mich jedenfalls machte das keinen Unterschied.
Genau, weil Yves Geruch mich ja auch überhaupt nicht benebelt und verführt hatte! Und das nur im Vorbeigehen. Ich musste echt aufpassen, was ihn anging.
„Wir brauchen noch Brot und ein bisschen Fleisch, kannst du das erledigen, während ich die Abrechnung mache?“, fragte Zachary irgendwann und ich nickte.
Noch immer, eigentlich von Tag zu Tag mehr, erfüllte mich Unbehagen bei dem Gedanken, das Haus zu verlassen. Ich wusste, meine Familie suchte ganz sicher noch nach mir. Sie brauchten etwas, das zurzeit nur ich besaß und ich würde es ihnen nie wieder geben. Freiwillig hatte ich das auch nie …
Ein Schauder durchlief mich und ich nahm die Einkaufsliste, bevor ich es mir anders überlegen konnte. Ich durfte mich nicht so fertigmachen lassen! Bisher war ich hier sicher, wieso sollte sich das plötzlich ändern?
Draußen atmete ich tief durch. Schottland, speziell dieser kleine Ort, roch einfach super. Hier mischten sich so viele Aromen, so viele Wohlgerüche aus Natur und Häusern, dass ich mich wohl fühlte. Vorhin hatte es kurz geregnet und die Kopfsteinbürgersteige waren nass und etwas rutschig unter meinen Sneakersohlen. Ich beeilte mich. Der Bäcker machte um 16 Uhr zu und der Supermarkt um 18 Uhr.
Ich fluchte leise, als ich auf der anderen Straßenseite Yves und Frank entdeckte. Zwischen meinen ständigen hastigen Rundumblicken fing ich einen Blick von Yves auf. So interessiert und neugierig, dass ich wieder nur möglichst finster zurücksehen konnte. Hier draußen stand mein Fluchtreflex über allem anderen. Und seinen Duft konnte ich über diese Entfernung nicht wahrnehmen. War auch eindeutig besser so, sonst hätte meine Nase am Ende gewonnen.
Hastig ging ich weiter und betrat die Bäckerei.
~*~
Ich war froh, als ich am Morgen endlich aufstehen konnte. Die ganze Nacht hatte ich mich hin und her gewälzt und war immer wieder aus leichtem Schlaf hochgeschreckt. Ich sah Yves vor mir, hatte sein unwiderstehliches Aroma in der Nase und spürte eine Nervosität in mir, die ich einfach nicht kannte. Es war anders als mein normaler Fluchtreflex. Mein Instinkt riet mir, ihm fernzubleiben, aber meine Nase verlangte, dass ich ihr mehr von seinem Duft bot.
Ich ging nach unten, stellte den Wasserkessel auf den Herd, duschte und zog mich an, dann machte ich Frühstück. Zachary hatte gestern Abend noch lange gelesen und lag mit Sicherheit noch im Bett.
Ich brachte den Vormittag damit zu, die restlichen Bücher in die Datenbank einzupflegen, danach aßen wir den üblichen kleinen Lunch und machten uns gegen halb zwei nachmittags auf den Weg zum Internat. Wir waren nicht die Einzigen, die zu Fuß über den gewundenen Weg zur alten Burg gingen. Ganze Horden von Mädchen, alle in den rotschwarzen Schuluniformen von Winchurch, gingen vor und hinter uns, dazu einige Leute aus dem Dorf und wir wurden nicht selten von Autos überholt, die – erkennbar an den Farben Rot und Weiß – Fans der Mannschaft aus Birmingham sein mussten.
Tatsächlich sah es so aus, als könnte dies ein interessanter Nachmittag werden.
Wir erreichten das mit Tribünen umrahmte Rugbyfeld und ich stellte fest, dass
Weitere Kostenlose Bücher