Duft der Unschuld - Tennington (German Edition)
schluckte hart.
„Seltsame Tischform.“
Er nickte. „Ja, keine Ahnung, liegt wahrscheinlich an den Fünfer-Gruppen, die wir nun mal bilden …“
„Wieso hat der Dekan dich beauftragt, mich herumzuführen?“, wollte ich wissen, folgte ihm zur Essensausgabe und wieder hinaus in den Flur.
„Bei uns in der Einheit ist ein Platz frei, seitdem … na ja, es ist ein Platz frei.“ Irgendetwas verschwieg er mir und es machte ihn traurig. Ob der frühere Bewohner des Zimmers gestorben war? Ungefähr so traurig sah er aus.
„Oh, dann steht fest, dass ich morgen bei euch einziehen werde?“ Ich wollte schreien und fluchen. Diese Versuchung in der gleichen Wohnung? Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich es schaffen können würde, seine langen Beine, seinen süßen Hintern und vor allem sein schönes Gesicht zu ignorieren! Über den sinnverwirrenden Geruch brauchte ich erst gar nicht nachzudenken … Merde !
„Na, komm!“ Er ergriff mein Handgelenk so unvermittelt, dass ich zusammenzuckte und meinen Arm mit einem hastigen Ruck befreite. Es tat mir schon leid, bevor sein erschrockener Blick mich traf.
„Tut … mir leid“, sagte er betroffen und wich einen Schritt zurück.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, schon gut, ich … habe nur nicht damit gerechnet.“
Er blickte mich noch einige Sekunden lang an, dann wandte er sich um und sagte: „Komm schon, ich zeige dir unsere Wohnung!“
Ich folgte ihm erneut. Immerhin war ich nun wirklich neugierig. Während wir über den Hof schritten, fuhr mir sein Duft wieder in die Nase und ich stöhnte vernehmlich auf. Gab es schlimmere Folter als das hier?
Das war wie … mir fehlten wirklich die Worte dafür. Es gab Gerüche, die angenehm für mich waren und solche, die mich abstießen. Jeder Mensch hatte einen solchen Geruch und noch nie hatte einer davon diese verborgenen Saiten in mir dazu gebracht, eine endlos schöne, herzerweichende und zu Tränen rührende Melodie zu spielen.
Yves’ tat es. Einfach so.
~*~
Wir erklommen die Stufen des linken Wohngebäudes bis zum dritten Stock und er schloss die Eingangstür auf.
„Jeder von uns hat einen Schlüssel zu dieser Tür und einen zu seinem eigenen Zimmer. Die Verbindungslehrer haben vollen Zugang, die Putzfrauen auch, ansonsten niemand.“ Er schob die Tür nach innen und tastete nach einem Lichtschalter. Der fensterlose Flur war groß, im Grunde ein nicht kleiner Extra-Raum, in dem an einer Seite eine kleine Küchenzeile stand. Darüber Hängeschränke.
„Die Teeküche, also, so wird sie genannt. Wir haben einen Kühlschrank, eine Mikrowelle, Wasserkocher und Kaffeemaschine. Wirklich kochen tut keiner hier drin, aber es ist ganz praktisch, wenn man nicht für jedes Glas und jeden Teller bis sonst wo rennen muss. Es gibt auf jeder Etage aber auch eine richtige Küche. Das sind die Treffpunkte für die Allgemeinheit.“
Ich nickte und er trat zu mir mitten in den Raum. Ich zählte die Türen. Es waren sieben. Eine neben der Küchenzeile, drei geradeaus und drei nach rechts abgehend.
Yves öffnete die neben der Küche. „Das Badezimmer. Zwei Duschen, zwei Waschbecken. Die erste Tür hier führt zu zwei Toiletten. Getrennt, natürlich.“
Auch das klang gar nicht schlecht. Ich betrat den kleinen Flur, von dem aus die Türen zum Waschraum und den WCs abgingen. Dann wandte ich mich wieder um.
„Und hier ist das Wohnzimmer. Der Raum, in dem die WG sich treffen kann, wenn sie Filme gucken, zocken oder abhängen will.“
Mehrere Sofas, ein großer Flachbildfernseher und ein paar darunter lagernde Spielekonsolen zogen meine Blicke an. Hier konnte man mit Sicherheit gut abhängen, sofern einem Zeit dazu blieb!
„Und das hier ist dann exemplarisch ein Schlafzimmer.“ Yves schloss die Tür zum äußerst rechts liegenden Raum auf und ich sah hinein. Es war hell und freundlich. Er ging voraus und ich betrat den Raum. Merde ! Hier roch alles so intensiv nach Yves, dass ich beinahe rückwärts stolperte. Nur mit Mühe unterdrückte ich den Reflex und spürte zeitgleich, wie meine Nase mein Handeln übernahm. Sie dirigierte mich weiter in das Zimmer und ich sah mich um.
Das Zimmer war L-förmig und zweigte nach rechts ab. Ich sah hohe Regalwände, in denen sich hunderte von Büchern aneinanderreihten, einen Schreibtisch, auf dem unter einem wilden Gewirr von Papierstapeln irgendwo ein Laptop hervorlugte. An der Stirnseite des Raumes gab es ein breites Fenster und daneben, jenseits des Knicks, in dem ein
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