Duft des Mörders
Forderungen nicht eingegangen.“
„Deren
Forderungen? Von wem redest du?“ fragte sie irritiert.
Sam ging langsam zum Bücherregal und blieb vor einem Foto stehen, das Elaine zu einer glücklicheren Zeit zeigte. „Ein russischer Geschäftsmann, dem man Verbindungen zu
Bratstvo
nachsagte, war des Vorwurfs der Erpressung schuldig befunden worden. Das Strafmaß stand noch aus, und es gab Gerüchte – zutreffende Gerüchte –, ich würde die Höchststrafe verhängen.“
Er nahm das gerahmte Foto in die Hand, betrachtete es einen Moment lang, dann stellte er es zurück. „Einige Tage vor Verkündung des Strafmaßes erhielt ich dieses Foto per Post. Ich wusste gar nicht, dass es existierte. In einem Begleitschreiben wurde erläutert, wie das Strafmaß aussehen sollte – eine eindringliche Strafpredigt und hundert Sozialstunden. Wenn ich die Anweisung nicht befolgte, würde man deiner Mutter einen Abzug dieses Fotos schicken.“
Jenna konnte sich noch gut an den Fall erinnern. Es war ausführlich darüber berichtet worden. „Aber das hast du nicht getan. Du hast den Mann für vier Jahre ins Gefängnis geschickt.“
„Stimmt. Man wollte mich gefügig machen, aber sie waren an den Falschen geraten.“
„Die Frau war auf dich angesetzt worden?“
Sam nickte.
Das Mitgefühl, das diese Erkenntnis in ihr auslöste, war schnell wieder verflogen. „Dann hat dir wohl jemand eine Waffe an den Kopf gehalten und dich gezwungen, mit ihr zu schlafen!“
„Nein. Deine Mutter und ich machten gerade eine schwierige Phase durch. Man legte mir nahe, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren. Ich war begeistert, doch deine Mutter wollte, dass ich ablehnte. Sie fürchtete, ich würde noch mehr Stunden am Tag nicht zu Hause sein und wir müssten dauernd an irgendwelchen offiziellen Anlässen teilnehmen. Sie sagte, wir würden dann in einem goldenen Käfig sitzen und nie wieder ein Privatleben führen.“
„Und deshalb bist du mit der erstbesten Frau ins Bett gestiegen, die dir über den Weg lief“, sagte Jenna bissig. „War sie verständnisvoller als Mom? Hat sie dein Ego gestärkt? Hat sie dir gesagt, wie wunderbar du bist? Und dass du einen guten Bürgermeister abgeben würdest?“
Es tat ihr gut, seinen zerknirschten Gesichtsausdruck zu sehen. Sie wollte ihm wehtun.
„Ich bin nicht sicher, ob ich alles noch richtig in Erinnerung habe. Ich war zu der Zeit sehr verwundbar, und das wussten diese Leute. Sie kennen die intimsten Geheimnisse von Menschen, die ihnen völlig fremd sein müssten. Sie haben Mittel, die du dir nicht vorstellen kannst.“
„Und wie haben sie dir deine entlockt?“
Er zögerte, dann ging er mit schleppenden Schritten zum Fenster und sprach weiter, wobei er mit dem Rücken zu ihr stand. „Ich machte es mir zur Angewohnheit, mir jeden Abend auf dem Heimweg in der Plaza Oak Bar einen Drink zu genehmigen. Da war diese Frau, sie schien ein Stammgast zu sein. Irgendwann kamen wir ins Gespräch. Eines Abends trank ich ein paar Gläser zu viel, und ich wollte nicht mit dem Wagen nach Hause fahren. Als sie mir sagte, sie habe im Hotel eine Suite, in der ich mich eine Weile ausruhen könnte, nahm ich das Angebot an.“
Jenna schnaufte verächtlich.
„Als wir oben ankamen, lief alles ganz anders ab.“
„Sie verführte dich.“
Er nickte.
„Und du, der brillante Anwalt, der ehrenwerte New Yorker Richter, du hast das nicht kommen sehen? Dir war nicht klar, dass du in eine Falle tappst?“
„Der Alkohol …“
„Oh ja, der Alkohol.“ Sie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Wie konnte ich den vergessen?“ Sie wartete, bis der Hohn und Spott in ihrer Stimme ausreichend auf ihn eingewirkt hatten, dann fuhr sie nüchterner fort: „Und danach bist du nicht auf die Erpressung eingegangen, hast dein Amt niedergelegt, und das war’s dann?“
Sam lachte verbittert und drehte sich zu ihr um. „Ich wünschte, so wäre es gewesen.“
Jenna schwieg und wartete ab, was er weiter zu sagen hatte. Obwohl sie nicht sicher war, dass sie es hören wollte.
„Damit mein Rücktrittsgesuch angenommen wurde“, erklärte er, „musste ich dem Obersten Richter die Wahrheit sagen. Und dann musste ich noch etwas tun.“
Sie hielt gebannt den Atem an.
„Ich musste es deiner Mutter sagen.“
„Mom wusste es?“ Vor Schreck ließ sie das Foto fallen.
„Sie hätte es so oder so erfahren. Diese Leute verlieren nicht gern. Ihr Plan war durch mich gescheitert, also hätten sie mich bestraft.
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