Duft des Mörders
Indem ich es deiner Mutter sagte, vereitelte ich auch diesen Plan.“
Wieder musste sie daran denken, wie ihre Eltern ihr gesagt hatten, sie würden sich scheiden lassen. Jetzt verstand sie endlich, warum ihre Mutter an dem Abend so gefühllos geklungen hatte. Es war der Schock gewesen, die absolute Fassungslosigkeit.
„Und ich dachte immer …“ sie musste schlucken, um nicht laut zu schluchzen, „… dass Mom
dich
betrogen hätte. Jedes Mal, wenn ich mit ihr darüber reden wollte, antwortete sie immer nur, es habe keinen anderen Mann gegeben.“
„Sie wollte nicht, dass du …“
„Sie hat dich beschützt!“ fiel Jenna ihm ins Wort. „Nach all dem Schmerz und der Demütigung, die du ihr angetan hast, hielt sie unverändert zu dir!“ Sie schluchzte nun doch. „Sie muss gewusst haben, dass ich
sie
für die Ehebrecherin hielt. Aber sie hat nie ein Wort gesagt, sie hat nie versucht, mich gegen dich aufzubringen.“
„Ich habe ihr nie wehtun wollen.“
„Soll ich mich deshalb besser fühlen? Du hast wirklich geglaubt, du könntest es mit irgendeiner Schlampe treiben, es anschließend vergessen, und alles wäre okay?“ Sie stellte sich vor ihn hin. „Du hast ihr wehgetan, Dad. So sehr, dass sie nicht mehr leben wollte.“
„Sag so etwas nicht!“
„Es stimmt aber!“ schrie sie ihn an. „Man musste sie in diesem letzten Jahr doch nur ansehen, um zu erkennen, dass ihr alles egal geworden war. Sie begann zu trinken, und sie ging auf die Partys, die sie immer so hasste. Ich habe sie angefleht, damit aufzuhören, aber es kümmerte sie nicht.“
Sie spürte, wie die Wut in ihr immer stärker wurde. „Du hast sie umgebracht, Dad! Und das weißt du, nicht wahr?“
Sam ließ geschlagen den Kopf sinken.
„Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?“ wollte sie von ihm wissen. „Warum hast du mich glauben lassen, Mom habe eine Affäre gehabt, obwohl es umgekehrt war?“
Der Schmerz in seinen Augen hätte ihr zu jeder anderen Zeit das Herz gebrochen, doch hier und jetzt rührte es sie nicht.
„Weil ich Angst hatte, dich zu verlieren. Ich hatte Angst davor, von dir so angesehen zu werden, wie du mich jetzt ansiehst – voller Verachtung und Hass.“
Jenna hob das Foto auf und hielt es ihm hin. „Und warum hast du
das
behalten?“
„Damit ich nie, niemals vergesse, wie teuer ich meine Dummheit bezahlen musste.“
Sie hielt seinem Blick stand und versuchte in diesem Mann den Vater zu erkennen, den sie immer für stark und ehrbar gehalten, dessen Integrität sie immer bewundert hatte. Ein Mann, auf den sie stolz gewesen war und den sie stets als ihr Vorbild angesehen hatte. Ein Mann, der letztlich nichts weiter war als ein Lügner und Ehebrecher.
Sam machte einen Schritt auf sie zu. „Ich weiß, du bist jetzt wütend und …“
Sie hob die Hand. Sie hatte genug gehört. Nach einem letzten Blick auf das Foto warf sie es auf den Schreibtisch und sagte: „Was du getan hast, werde ich dir niemals verzeihen. Hast du verstanden? Niemals!“
Bevor er die Tränen sehen konnte, stürmte sie aus dem Zimmer.
38. KAPITEL
S am versuchte gar nicht erst, Jenna aufzuhalten. Es wäre sinnlos gewesen. Sie war wütend und zutiefst verletzt, und sie brauchte Zeit, um zu verarbeiten, was sie erfahren hatte. Er sagte sich, dass sie nicht zum ersten Mal aus diesem Haus stürmte. Als Teenager war sie oft genug mit ihm und Elaine aneinander geraten, um dann zu schwören, niemals zurückzukehren, und sie war aus dem Haus gerannt und hatte die Tür krachend hinter sich zugeschlagen. Wenn sie länger als üblich weggeblieben war, hatte sich Sam auf die Suche nach ihr begeben. Zum Glück war Jenna nie lange wütend gewesen.
Doch diesmal würde es anders sein. Ihr Blick, mit dem sie die letzten Worte gesprochen hatte, war ihm durch und durch gegangen. Was, wenn sie es so meinte und er seine Tochter für immer verloren hatte?
Er sah die Akte, die vor dem Bücherschrank auf dem Boden lag. Er ging hin und hob sie auf. Es war seine alte
Bratstvo
-Akte. Sie enthielt keine nennenswerten Geheimnisse. Im Wesentlichen war es nur eine Liste der Verbrecher, die er vor Gericht gestellt hatte. Er überflog die Namen und wunderte sich, warum sich Jenna auf einmal für
Bratstvo
interessierte. Wenn sie nach etwas Speziellem gesucht hatte, dann hätte sie ihn doch fragen können.
Auf einmal entdeckte er die Namen zweier Informanten, und er erstarrte. Hatte sie danach gesucht? Wollte sie Plushenko und Orloff ausfindig machen und sie
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