Duft des Mörders
hoch. „Ich wollte schon immer rothaarig sein.“
„Wo ist Jenna Meyerson? Was hatten Sie mit ihr vor?“
Pincho verzog das Gesicht und hielt das Telefon ein Stück vom Ohr weg. Er hasste es, wenn man mit ihm redete, als sei er ein blutiger Anfänger. Es war nicht sein Fehler, dass der Mordversuch fehlgeschlagen war. „Ich habe keine Ahnung, wo sie steckt. Und wieso interessiert Sie das überhaupt?“
„Sie Idiot! Sie hätte dabei draufgehen können!“
„Das war meine Absicht.“
„Sind Sie wahnsinnig? Ist Ihnen eigentlich klar, welche Scherereien Sie mir bislang eingebrockt haben?“
„Geben Sie nicht mir die Schuld. Hätten Sie mich rechtzeitig gewarnt, wäre ich aus dem Haus gewesen, anstatt ihr direkt in die Arme zu laufen. Wissen Sie, was das bedeutet? Sie kann mich identifizieren.“
Die Stimme am anderen Ende der Leitung war nur noch ein Flüstern. „Hören Sie zu, Kravitz. Solange wir die Fotos nicht haben, ist Jenna Meyerson für uns nur lebend interessant. Haben Sie das verstanden? Finden Sie sie, bringen Sie sie zu mir, und krümmen Sie ihr bloß kein Haar.“
Dann war die Leitung tot.
Jenna fühlte sich in ihrer neuen Kleidung, mit ihrer Perücke und der Sonnenbrille wie ein anderer Mensch. Sie trat aus dem Aufzug, durchquerte die Lobby des Freemont und ging durch die Drehtür nach draußen. Der Türsteher, der sie vor nicht einmal zwei Stunden so freundlich gegrüßt hatte, nahm kaum Notiz von ihr.
Nachdem sie an einem Geldautomaten dreihundert Dollar gezogen hatte, machte sie sich auf die Suche nach einem anderen Hotel. Nach nicht mal zehn Minuten später war ihre Suche von Erfolg gekrönt; sie hatte ein Hotel entdeckt, das genau ihren Vorstellungen entsprach, eine schäbige Absteige, in der die Zimmer vermutlich meist nur stundenweise vermietet wurden.
Das Innenleben war noch viel deprimierender als das äußere Erscheinungsbild, doch der Portier nahm die dreißig Dollar für das Zimmer, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Er sah sie nicht mal an, als er ihr den Schlüssel über die Theke schob.
Das neue Zimmer war kaum größer als die Küche ihrer Wohnung, und so wie es aussah, war hier seit Wochen keine Putzfrau mehr gewesen. Doch Jenna würde sich damit begnügen, bis sie etwas Ansprechenderes fand. Im Moment stand ihr der Sinn nach einer guten Tasse Kaffee, bei der sie über ihre nächsten Schritte nachdenken konnte.
Nur zwei Blocks entfernt entdeckte sie eine Starbucks-Filiale. Ein herrliches Aroma schlug ihr entgegen, als sie eintrat. Doch im nächsten Augenblick stockte sie mitten in der Bewegung.
Der intensive Kaffeegeruch ließ sie an ‚Elvis‘ denken, wie er aus dem Aufzug ihres Hauses gestürmt war. Der Duft seines Rasierwassers hatte beinahe den anderen Geruch überdeckt, der ihm anhaftete.
Jetzt wusste sie, was für ein Geruch das war, den sie gestern nicht identifizieren konnte: Kaffee!
Aber wie konnte jemand einen so intensiven Kaffeegeruch an sich haben? Selbst wenn der Einbrecher kurz zuvor einen Kaffee getrunken hatte, hätte ihm ein so intensiver Geruch nicht angehaftet. Kaffeearoma setzte sich nicht wie Zigarettenrauch an jeder Faser der Kleidung und in jeder Pore fest.
Sie betrat das Café und sah, dass mindestens ein Dutzend Kunden Schlange standen, während hinter der Theke drei junge Frauen bemüht waren, die Bestellungen zu erledigen. Auf dem Tresen stapelten sich die Becher mit dem Starbucks-Logo.
Jenna erstarrte erneut.
Pappbecher mit einem Logo.
Frank hatte nach einem solchen Pappbecher gesucht und war dabei auf das Café Insomnia gestoßen, dessen Inhaber so hilfsbereit gewesen war. Dieser Pincho Figueras hatte sich doch bei Frank entschuldigt, weil seinen Händen der Geruch des Öls anhing, das er beim Rösten verwendete.
Ihre Gedanken überschlugen sich. Gestern Abend in der Lobby war ihr dieser Mann so sonderbar bekannt vorgekommen. Jetzt wusste sie, woher sie ihn kannte. Seine Augen – es waren die Augen des Bettlers, der Adam und sie in der Fifth Avenue angerempelt hatte.
„Miss? Stehen Sie hier an?“
Jenna wurde bewusst, dass sie nicht mit der Schlange aufgerückt war. „Ich … nein, Sie können ruhig vorgehen.“
Der Kaffee, den sie gerade noch so dringend benötigt hatte, war vergessen. Hastig lief sie zurück auf die Straße. Von Frank wusste sie, dass sich das Insomnia in der 42nd Street gleich am Times Square befand. Das war ganz in der Nähe.
Sie wurde erst wieder langsamer, als das Insomnia in ihrem Blickfeld
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