Duft des Mörders
oder einer Leiter Ausschau, um sicher an Land zu gelangen. Auf dem Vorderdeck gleich unter der Brücke entdeckte sie eine Gangway und wollte bereits loslaufen, als sie die zwei Wachmänner bemerkte. Sie standen ganz in der Nähe der Gangway und trugen Maschinenpistolen lässig am Riemen unter den Schultern. Das erklärte, warum niemand auf sie aufpasste. Selbst jetzt, da es ihr gelungen war, aus der Kabine zu entkommen, gab es für sie keine Fluchtmöglichkeit von diesem Schiff.
„Verdammt“, murmelte Jenna.
Die trinkenden Seeleute auf der Brücke wurden immer ausgelassener und riefen den Wachleuten zu. Die wandten kurz ihre Blicke von der Gangway, um etwas auf Russisch zu erwidern.
Hätte Jenna Sportschuhe getragen, hätte sie sich vielleicht lautlos nähern und einen Moment der Unaufmerksamkeit zur Flucht nutzen können. Doch mit ihren schweren Stiefeln war es ihr unmöglich, sich anzuschleichen. Auf die Idee, die Stiefel auszuziehen und barfuß zu laufen, kam sie nicht.
Stattdessen suchte sie nach einer anderen Möglichkeit, vom Schiff zu gelangen. Die Container schützten sie davor, entdeckt zu werden, während Jenna vorsichtig einen Blick über die Reling warf. Ob sie wohl von Bord springen konnte? Sie war eine gute Schwimmerin, aber ein Sprung aus bestimmt zwölf Metern Höhe in das schmutzige und eiskalte Wasser war eine riskante Sache.
Von der Brücke ertönte ein Schrei, der sie innehalten ließ. War ihre Flucht bemerkt worden? Oder hatte man sie sogar schon entdeckt?
Sie presste sich gegen einen Container und hielt den Atem an. Auf dem Schiff entstand Unruhe. Männer rannten über Metalltreppen, und Jenna hörte Schritte, die schnell lauter wurden. Sie bog in den erstbesten Gang zwischen den Containern ein und rannte in dem Labyrinth umher, bis sie jegliche Orientierung verloren hatte.
Ein entsetzter Schrei drang über ihre Lippen, als sie um eine Ecke bog und in den Lauf einer Maschinenpistole blickte.
46. KAPITEL
D as Red Hook Container Terminal war eine weitläufige Hafenanlage, in der jährlich über 65.000 Container verladen wurden. An einem normalen Tag hätte es hier von Dockarbeitern gewimmelt, die rund um die Uhr dafür sorgten, dass das Be- und Entladen schnell und reibungslos vonstatten ging. Der Streik hatte jedoch den gesamten Hafenkomplex von New York und New Jersey lahm gelegt. Die Verladekräne standen still, und niemand wusste, wie lange die Fracht im Hafen bleiben musste.
Als Frank und Paul das Terminal erreichten, hatten bereits eine Polizeispezialeinheit und zahlreiche weitere Cops rings um das russische Schiff Stellung bezogen. Alle trugen kugelsichere Westen und Präzisionsgewehre, jeder war auf seinem Posten und hatte das ihm zugeteilte Ziel im Visier.
Frank machte zwölf Mann auf dem Schiff aus, die vom Bug bis zum Heck Stellung bezogen hatten und mit ihren AK-47-Maschi-nengewehren auf die Männer auf dem Dock zielten. Es war eine klassische Konfrontation, bei der niemand sagen konnte, wer als Erster das Feuer eröffnete.
Paul zeigte auf eine Limousine, deren vier Türen offen standen. Im Schutz einer der Türen hockte eine Frau in einem grünen Regenmantel. „Das ist Marcie“, sagte er zu Frank. „Kommen Sie. Wir wollen hören, was bislang passiert ist.“ Er nahm zwei kugelsichere Westen aus seinem Wagen, reichte eine davon Frank und streifte sich die andere über. „Hier, ziehen Sie die an!“
Frank entdeckte Sam, der sich ebenfalls bei der Limousine befand. „Was machst du denn hier?“ fragte er, als er in geduckter Haltung zu ihm gelaufen war. Jennas Vater sah ihn mit besorgter Miene an.
„Ich bin mit Marcie hergekommen. Ich saß bei ihr im Büro, als Paul anrief.“ Sein Blick wanderte über das große Schiff. „Glaubst du, sie ist an Bord? Und lebt sie noch?“
„Ich will es hoffen.“
Marcie Hollander wirkte auf Frank ganz so, wie Jenna sie beschrieben hatte: sehr attraktiv und gleichzeitig äußerst pflichtbewusst. Nachdem Paul sie ihm vorgestellt hatte, lautete seine erste Frage: „Haben Sie Jenna gesehen?“
Marcie sah wieder zu den bewaffneten Männern auf dem Schiff. „Noch nicht.“ Sie deutete nach rechts. „Ein Dolmetscher hat sie nach Jenna gefragt. Sie antworteten, es befände sich keine Frau an Bord, lediglich die Crew.“ Sie wandte den Kopf und sah Paul an. „Ich will nur hoffen, dass man Sie nicht auf den Arm genommen hat. Es dürfte schwierig werden, das dem Bürgermeister zu erklären. Wie vertrauenswürdig ist dieser Doug
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