Duft des Mörders
beobachtete, dann nahm er die Akte an sich.
Paul war ausgesprochen gründlich vorgegangen. Seine Ermittlungen hatte er bei Adams Kollegen von Global Access begonnen, außerdem waren Freunde und Familienangehörige befragt worden, auch Adams Witwe. Sie war aber – so hatte es zumindest den Anschein gehabt – von dem Verlust derart erschüttert gewesen, dass Paul sie nicht sehr intensiv befragte. Eine Notiz wies darauf hin, dass Stavos sich nach der Beerdigung noch einmal mit ihr befassen wollte.
Keinem der Befragten war irgendetwas Ungewöhnliches an Adam aufgefallen. Bis zum letzten Tag war er der aufmerksame, gut gelaunte Mann gewesen, als den alle ihn kannten. Seine Sekretärin Claire Peabody war verständlicherweise von seinem Tod bestürzt, immerhin hatte sie sechs Jahre lang für ihn gearbeitet. Sein Cadillac war aus dem Parkhaus Essex House am Central Park geholt worden, doch die Durchsuchung des Wagens hatte keine Erkenntnisse gebracht.
Auch das Verhör von Roy Ballard fand sich in der Akte, einschließlich der Erklärung des Obdachlosen, wie seine Fingerabdrücke auf das Messer gekommen waren.
„Da hat ein Mann auf der Bank gesessen und die Tauben gefüttert“, erzählte er Stavos. „Er sah aus wie einer von uns. Dann hat er mich angesprochen, und ich bin hin und hab mich zu ihm gesetzt. Er hat das Messer rausgeholt und mich gefragt, ob ich das mal halten wollte, und ich hab Ja gesagt …“
„Warum haben Sie Ja gesagt?“ wollte der Detective wissen.
„Weiß nich. Ich wollt wohl nich unfreundlich sein.“
„Ein Fremder fragt Sie, ob Sie sein Messer halten wollen, und das ist Ihnen nicht merkwürdig vorgekommen?“
„Nee.“ Es war offensichtlich, dass sich in Roy Ballards Welt jeden Tag Dinge abspielten, die weitaus merkwürdiger waren.
„Und was ist mit der Uhr, dem Bargeld und den Kreditkarten?“
„Hab ich doch schon gesagt: Die hab ich noch nie gesehen.“
„Das haben Sie zuerst auch über das Messer gesagt. Jetzt behaupten Sie, man hätte es Ihnen gegeben und Sie hätten es in der Hand gehalten. Warum sollte ich Ihnen das glauben?“
„Ich war doch grad erst aufgewacht, als Sie aufgetaucht sin. Ich wusst doch gar nich, was los war. Mann, ich hat totale Angst!“
„Und das soll ich Ihnen abnehmen?“
„Jawoll, Sir! Is nämlich die gottverdammte Wahrheit!“
Das Verhör erstreckte sich über etliche Seiten. Ballard beteuerte immer wieder seine Unschuld und Stavos versuchte, ihm ein Geständnis zu entlocken. Doch der Obdachlose rückte nicht von seiner Aussage ab, und an den Fragen des Detective war zu erkennen, dass Stavos im Verlauf des Gesprächs immer frustrierter wurde.
Als Nächstes fand sich in der Akte der Bericht des Gerichtsmediziners. Adam war aufgrund des Messerstichs in den Bauch verblutet. Die Mordwaffe war ein simples Kampfmesser mit einer zehn Zentimeter langen Stahlklinge. Ein solches Messer konnte man in den USA überall problemlos im Handel erstehen. Am Griff des Messers hatte man Fingerabdrücke sichergestellt, die von Roy Ballard stammten, und das Blut an der Klinge war eindeutig das von Adam Lear.
Frank klappte die Mappe zu, legte sie auf den Schreibtisch zurück und stand auf. Er grinste flüchtig, machte die Schachtel auf, nahm einen gefüllten Doughnut heraus und ging.
19. KAPITEL
„W enn du meine Meinung hören willst“, erklärte Beckie Hughes, während sie Jennas Haarspitzen schnitt, „dann hör auf, dich so zu zieren, und schnapp dir den Mann, ehe dir jemand zuvorkommt.“
Beckie hatte auch mit ihren vierunddreißig Jahren immer noch die sportliche Figur eines Teenagers. Als ihre Familie mit der damals siebenjährigen Beckie ins Haus neben dem der Meyersons einzog, freundete sich Jenna mit dem vorlauten Rotschopf sofort an.
Nach der High School ging Jenna auf die New Yorker Universität, während sich Beckie für eine Karriere als Friseurin entschied. Trotz der unterschiedlichen Wege, die sie einschlugen, bleiben die beiden gute Freundinnen. Nachdem sie genug Geld gespart hatte, übernahm Beckie schließlich den Frisiersalon Tresses in TriBeCa, in dem sie zuvor viele Jahre über angestellt gewesen war.
„Ich ziere mich nicht“, protestierte Jenna, doch es klang in ihren eigenen Ohren nicht annähernd so überzeugend, wie sie es beabsichtigt hatte. „Und ich werde mir Frank Renaldi ganz sicher nicht
schnappen
! Wir zwei passen so gut zusammen wie Feuer und Wasser.“
Beckie hielt in ihrer Arbeit inne und sah Jenna im Spiegel an.
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