Duft des Mörders
ein kleines verpacktes Geschenk, mit Goldband und einer kleinen goldenen Schleife versehen.
Jenna warf einen letzten Blick in Richtung Sonne, die endlich die ideale Position erreicht hatte, und nahm ihre Leica vom Stativ. Mit der Kamera in der Hand ging sie um den Tisch herum, um ihn aus jedem nur denkbaren Winkel zu fotografieren. Dann stieg sie auf die Leiter, die sie aus dem Verschlag geholt hatte, und kletterte nach oben, um den Tisch auch aus dieser Perspektive abzulichten.
Sie war so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie fast vor Schreck von der Leiter fiel, als plötzlich hinter ihr jemand „Hallo, Jenna!“ rief.
Sie drehte sich um, erkannte den Chef von Faxel. „J.B.!“
Der Mann war Ende fünfzig, groß und schlaksig, und er wirkte träge, fast schon faul. Erst wenn man in seine Augen sah, erkannte man die enorme Energie, die ihn antrieb. Jenna wunderte sich, dass sie ihn nicht hatte kommen hören, obwohl er sich auf gut einen Meter genähert hatte.
„Ich habe Sie erschreckt“, sagte er. „Tut mir Leid, das wollte ich nicht. Ich habe geklingelt, aber es hat niemand aufgemacht. Da die Wohnungstür nicht verschlossen war, bin ich hereingekommen. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus.“
Natürlich machte es ihr etwas aus. Wenn auf ein Klingeln hin nicht geöffnet wird, dann geht man für gewöhnlich wieder und versucht es später noch einmal.
„Nein, nein, das ist schon in Ordnung“, antwortete sie trotzdem und stieg mit wackligen Knien von der Leiter. J.B. war noch nie zu ihr nach Hause gekommen, deshalb konnte es für seine Anwesenheit nur einen Grund geben: Er hatte von Adams Verdacht gegen ihn erfahren und wollte mit ihr darüber reden.
Als wollte er ihre Befürchtungen zerstreuen, sah er sich interessiert um, besah sich den festlich geschmückten Tisch und den Weihnachtsbaum und lächelte schließlich. „Weihnachten im Oktober?“
„Das ist ein Auftrag für die Dezember-Ausgabe von
Today’s Cuisine
. Hat sich auf die letzte Minute ergeben.“
„Ah, das erklärt natürlich alles.“ Er sah zum Dachrand, wo nur eine niedrige Mauer verlief, dann kehrte sein Blick zu Jenna zurück. Während sie die Leiter zusammenklappte, sagte er: „Gestern bekam ich Besuch von einem Detective Stavos. Er hat erzählt, Ihr Exmann habe irgendeinen Verdacht gehegt, gegen mein Unternehmen und auch gegen mich persönlich, und er soll Ihnen von diesem Verdacht erzählt haben. Ist das wahr, Jenna?“
Also hatte Marcie ihre Ankündigung wahr gemacht. Sie hatte die Ermittlungen auf Faxel ausgeweitet, und Stavos hielt sich an ihre Anweisungen, weshalb er auch J.B. aufgesucht hatte. „Ja, das ist wahr.“ Weil sie nicht wusste, wohin mit ihren Händen, hielt sie das Stativ fest.
„Warum haben Sie sich nicht an mich gewandt, Jenna?“ Er klang enttäuscht und verletzt, was ihr ein unbehagliches Gefühl bereitete.
„Das wäre wohl ein wenig peinlich gewesen, oder finden Sie nicht?“
„Stattdessen sind Sie zur Polizei gegangen.“
„Ich bin nicht diejenige, die die Vorwürfe erhoben hat, J.B.“ Allmählich gewann Jenna ihre Fassung zurück. „Ich habe nur Informationen weitergegeben.“
Die Hände in die Taschen gesteckt, trat er langsam näher. „Informationen, die den Schluss zulassen, ein anderer als Roy Ballard könnte Adams Mörder sein.“
Stavos hatte auch das nicht ausgelassen und J.B. mit dieser Vermutung konfrontiert. Vielleicht hatte Jenna den Detective ja falsch eingeschätzt. „Roy Ballard hat Adam nicht umgebracht“, erklärte sie voller Überzeugung.
J.B. blieb so dicht vor ihr stehen, dass sie sich zusammenreißen musste, um nicht vor ihm zurückzuweichen. Du hast von diesem Mann nichts zu befürchten, sagte sie sich. Sie kannte ihn, sie hatte mit ihm zusammengearbeitet und seine humorvolle, fast schon ausgelassene Art erlebt, die kaum ein anderer Mensch an ihm vermutete.
„Sie machen einen großen Fehler, Jenna.“ Sein Tonfall wurde mit einem Mal hart. „Ich weiß nicht, was Adam Ihnen erzählt hat, dass Sie sich mir gegenüber so verhalten. Aber ich kann Ihnen versichern, dass er damit nur eines bezweckte: mich in Verruf zu bringen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Konkurrent versucht, uns in den Schmutz zu ziehen. Ich nehme das niemandem übel, denn im Geschäftsleben geht es nicht immer hochmoralisch zu. Aber dass Sie mir Betrug oder sogar einen Mord anhängen wollen, das ist absurd!“
„Ich habe kein Wort von Betrug gesagt, und ich will Ihnen auch nicht den Mord
Weitere Kostenlose Bücher