Duft des Mörders
„Heute nicht, Vinnie.“
„Setz dich hin, Frank! Ich möchte mit dir reden.“
Überrascht über den zwar ruhigen, aber befehlenden Tonfall seines Onkels nahm Frank Platz. Bei einem Mann wie Vinnie musste man wissen, wann man sich ihm erfolgreich widersetzen konnte und wann nicht. Das hier war eindeutig ein Moment, in dem jeder Widerstand zwecklos war.
Er ließ sich von Vinnie dessen berühmten Espresso einschenken, der so stark war, dass Frank während des Jurastudiums mit seiner Hilfe oft nächtelang hatte durcharbeiten können. „Was gibt’s?“
Nachdem er sich selbst ebenfalls eingeschenkt hatte, fragte Vinnie: „Würde es dich wirklich umbringen, mich von Zeit zu Zeit um Hilfe zu bitten?“
Frank setzte eine ahnungslose Miene auf. „Ich weiß nicht, was du meinst.“
„Dann werde ich es dir sagen. Seit fast zwei Jahren warte ich auf eine Erklärung, was sich wirklich in Washington zugetragen hat. Warum sagst du es mir nicht?“
„Du weißt, was passiert ist.“
„Ich weiß nur das, was du deiner Mutter und deiner Schwester erzählt hast. Denkst du wirklich, ich kauf dir ab, dass du das FBI freiwillig verlassen hast? Ich weiß doch, was dir diese Arbeit bedeutet hat.“
„Ich musste mich um Danny kümmern.“
„Du hättest schon einen Weg gefunden, ihm ein guter Vater zu sein, ohne Abstriche bei deiner Karriere machen zu müssen.
Wenn
du es gewollt hättest.“
Frank stellte seine Tasse ab und hielt dem durchdringenden Blick seines Onkels stand. Er hatte zu keiner Zeit geglaubt, Vinnie könnte Zweifel an seiner Geschichte hegen, warum er aus dem FBI ausgestiegen war. „Wie kommst du jetzt auf dieses Thema?“ fragte er.
„Ich habe den FBI-Mann gesehen, der draußen vor der Tür stand.“
„Woher weißt du, dass er ein FBI-Mann ist?“
Vinnie lachte auf. „Da wir nicht Halloween haben, nehme ich mal an, dass jemand, der aussieht wie ein FBI-Agent, auch einer ist.“ Er wurde wieder ernst. „Er ist kein Freund von dir, nicht wahr?“
Jetzt war es Frank, der kurz auflachte. „Ganz sicher nicht.“
„Ist er für deine Kündigung verantwortlich?“
Der alte Fuchs. Er hatte es die ganze Zeit über gewusst. „Ja.“
„Du musst nur ein Wort sagen, dann breche ich ihm die Kniescheiben.“
Frank schüttelte nachdrücklich den Kopf, damit Vinnie nicht auf falsche Gedanken kam und seine Ankündigung in die Tat umsetzte. „Nein, Vinnie. Keine Gewalt.“
„Warum nicht? Der Kerl hat dich reingelegt, richtig? Er hat eine Abreibung verdient.“
„Aber nicht auf die Tour.“
„Manchmal muss man eben hart durchgreifen, um seinen Standpunkt wirklich deutlich zu machen. Hast du denn gar nichts von mir gelernt?“
„Wie hast du es überhaupt herausgefunden?“
Vinnie lehnte sich zurück, die Tasse in der Hand. „Ich will dir was über meinen Freund Johnny Caruso erzählen. Ich muss zugeben, der alte Haudegen war nie ein Waisenknabe, und er hat eine sehr bewegte Vergangenheit. Aus der kennt er auch so einige schräge Vögel, auch solche, denen man Kontakt zur Mafia nachsagt oder ihn sogar nachgewiesen hat. Aber geschäftlich hatte Johnny nie mit dem organisierten Verbrechen zu tun. Bis auf eine Sache: Nachdem Johnny Caruso seinen ersten Herzanfall hatte, trat ein Abfallunternehmer aus Brooklyn auf ihn zu, der sein Geschäft ausweiten wollte. Er wollte Johnnys Unternehmen aufkaufen, und er machte Johnny ein verdammt gutes Angebot. Die Verträge wurden vorbereitet, waren schon fertig zur Unterschrift. Doch als Johnny erfuhr, dass die Russen-Mafia hinter diesem Brooklyner Abfallunternehmer steckte und dessen Firma kontrollierte, lehnte er sofort ab, und der Deal kam nicht zustande.“
Frank sah seinen Onkel an. „Davon hat mir Johnny nie erzählt.“
„Johnny wollte das nicht an die große Glocke hängen, weil ihm die Gemeinde von Staten Island einen Großteil seiner Aufträge stellt. Diese Geschäftsbeziehung wollte er nicht aufs Spiel setzen, nur weil er mal Kontakt zu einem Mafiamann hatte. Ein paar Monate, nachdem ich bei ihm anfing, erfuhr ich, dass das FBI auf einmal durch irgendeinen Dreckskerl davon wusste, dass ich bei Johnny eingestiegen war und dass Johnny den Russen um ein Haar seinen Betrieb verkauft hätte, und als Folge davon legte man dir die Kündigung nahe. Das ist der wahre Hintergrund dieser üblen Geschichte.“
„Warum hast du mir das nicht früher erzählt?“
„Warum denn? Es war ja bereits zu spät, um deinen Job zu retten. Du warst schon hier und hattest
Weitere Kostenlose Bücher