Duftspur
der linken Brust, als Umwelt im weitesten Sinne begreifen will. Riechen kann der Mann nicht mehr. Ich schließe zumindest aus, dass er seine eigene Duftaura wahrnehmen und in Kategorien wie angenehm oder toxisch einordnen kann. Ob er eine ASU-Plakette erhalten würde, möchte ich auch bezweifeln. Dafür ist er sparsam im Verbrauch, als Treibstoff reicht ihm Pumpernickel und Pernot. Immerhin bin ich froh, dass er da ist und Rudi ihn dazu motivieren konnte, mir bei der Sanierung des Bauwagens zu helfen. Schrauberklaus` Kenntnisse und Fertigkeiten im Fach Improvisation sind über die heimische Landesgrenze hinaus berühmt. Was der TÜV stirnrunzelnd ablehnt, zaubert ihm ein zufrieden verschlagenes Gesicht unter die verfilzte Matte. Dann reibt er sich die zarten rissig-schwarzen Hände und legt los.
»Fertig«, grunzt es unter dem Bauwagen hervor. Wir testen die Stützenkonstruktion indem wir wild im Wagen umherhüpfen.
»Sitzt, passt, wackelt und hat Luft«, bemerke ich begeistert.
»Hoan isch der doch jesaat, dat dat klabbt!«, stellt er gewohnt verhalten in ruhigem Ton fest.
Schweigend fahren wir Richtung Kalteiche. Das Wetter ist herrlich, die rund 600 Meter hoch gelegene Region des südlichen Siegerlandes nebelfrei und für einen Moment fühle ich mich sorgenfrei. Frohgelaunt betrete ich die Tankstelle. Rudi ist per Telefon in irgendeinen Trouble verstrickt, aus dem ich nicht schlau werde. Für unseren Erfolg hat er jetzt keinen Sinn, daher halte ich die Klappe, schnappe mir die Arbeitsjoppe und beginne meine Schicht.
»Da hat einer für dich angerufen, der von neulich, Alonso oder so, der Zettel mit seiner Nummer liegt noch da, klang eilig. Ich muss jetzt.« Und schon ist er durch die Tür, begegnet Schrauberklaus, der ihm durch ein Nicken unseren Erfolg suggeriert. Rudi zeigt mir kurz seinen erhobenen Daumen. Na, immerhin eine Reaktion von dem mit Lobhudelei, Gesten und Gefühlen äußerst zurückhaltendem Tankstelleninhaber. Ein Sparfuchs wie Rudi haushaltet nicht nur mit Worten sondern auch mit Körpersprache, ganz so, als hätte er pro Monat nur ein gewisses Kontingent zur Verfügung. Das erklärt sicherlich seine stumm zur Schau getragene Sauertopfmine am Ende jedes Abrechnungszeitraums.
Das wäre ja ein Ding, wenn Alfons mich wieder einstellen könnte. In einer kurzen Pause zwischen Regale bestücken, kassieren und Müll entsorgen wähle ich Alfons’ Nummer. Ob ich Zeit hätte, fragt er. Seiner Stimme nach zu urteilen ist er in einer aufgeräumten Verfassung. Klar, wenn ich etwas habe, dann Zeit. Er hätte da einen Job für mich. Nein, das träfe die Sache nicht ganz. Es wäre mehr ein halber Job. Im Grunde hätte er einem seiner Ex-Schützlinge einen Job beschafft, sich sozusagen für die Person aus dem Fenster gelehnt und stünde jetzt kurz vorm Rauskippen, da er nicht sicher sei, ob die Lady die Arbeit auch anträte. Alfons war früher Bewährungshelfer und betreut noch einige Gestrauchelte in seiner Freizeit – Helfersyndrom. Ob ich den Aufpasser und Lückenfüller machen könnte. Klar, Lücken füllen ist eine meiner herausragenden Qualitäten. Ich erfahre grob, wo ich wann zu was antreten soll und dass der Mann vor Ort Bescheid wüsste.
»Da wäre noch was ... könntest du mein Sorgenkind am Sonntag abholen? Es ist wichtig.« Alfons Stimme wird jetzt flehend, dringlich, irgendwie ungewohnt für mich. Ein gemischtes Gefühl macht sich in mir breit. Ich sollte in Ruhe darüber nachdenken und vor allen Dingen sollte ich wissen, wo der Hase beim Sorgenkind im Pfeffer liegt. »Also, kannst du?«, fragt er ein wenig ungeduldig, was grundsätzlich auch nicht seine Art ist. Plötzlich steht eine unscheinbare Frau vor dem Tresen. Wie die wohl dahin gekommen ist?
»Haben Sie noch die Duftteddys?«
»Ja«, sage ich und zeige auf ein Minidisplay mit den heruntergesetzten Stinkbären, worauf sich gerade zwei Wespen stürzen, die aus dem Nichts herangesummt sind.
»Oh, danke Heiner. Prima«, höre ich es erleichtert durchs Schnurlose, »jaaa, komm ja schon«, ruft Alfons ins Irgendwo, »tschüss denn. Ich meld mich dann noch mal.« Das galt mir.
»Ich nehme zwei.«
»Zwei Euro, bitte«, abwesend gebe ich den Preis mit der Linken in die Kasse ein und mit der freigewordenen Rechten verscheuche ich die Insekten.
»Ich hatte auch noch die Vier«, ergänzt die Frau, derweil sich die gelb Gestreiften einen munteren Reigen um meinen Kopf erlauben.
»Oh, sorry«, jetzt hätte ich doch glatt das Benzin
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