Duftspur
Lochsocke kämpfe, höre ich jemanden über den Flur schlappen. Ich keuche leiser. Fertig! Nichts wie raus hier und mich beim Burgherrn gemeldet. Zuvor noch die Pads durchs Klo jagen. Hoffentlich wird dadurch nicht das Grundwasser eines ganzen Landstrichs vergiftet und hoffentlich ist der Gestank jetzt so weit von mir runter, dass sein Aroma, das mich bestimmt noch ein wenig umweht, nicht sofort mir zugeordnet werden kann. Ich entwickle eine Notfallstrategie, die vorsieht, dass ich mich niemals länger als drei Wimpernschläge an einer Stelle aufhalten werde. Ähnlich wie Lucky Luke muss ich dafür nicht schneller als mein Schatten sein, sondern lediglich schneller als meine Dunstglocke. Klingt machbar. Selbst kann man sich ja für gewöhnlich schlecht riechen, doch mir hängt das Animalische noch irgendwie quer unter der Nase, uah. Ich rieche bestimmt immer noch wie eine überreife Puffmutter. Heiner, so was sagt man nicht, soll ich dir den Mund mit Seife auswaschen, droht meine Mutter krähend. Drei Minuten nach fünf und ich klopfe an die Bürotür von Jörn Jäger. Der kommt ein fröhliches Liedchen pfeifend um die Ecke, wobei seine frisch gefönten Haare luftig wehen. Meine Güte, ist der gut gelaunt und das zu dieser Stunde. Er grinst mich an:
»Bereit?«
»Sicher«, nicke ich zuversichtlich.
Ich erhalte den Auftrag, den Grillplatz zu reinigen, was bedeutet, dass ich wieder an den Fliegen vorbei muss. Der Grillplatz liegt im so genannten äußeren Burghof, genau zwischen dem Hungerturm und der Burg. Mit Tüten, Besen und Kehrschaufel bewaffnet gehe ich den Weg zurück, den ich gekommen bin, um aufzuräumen. Vorsichtig spähe ich außen an der Holztür herab. Da liegen sie, die schwarzen Leichen, deren Flügel im ersten Sonnenstrahl farbig schillern. Ob die Chemiefirma mir versehentlich einen Kampfstoff unter die Achseln gejubelt hat? Ich höre schon, wie mir jemand ihr Entschuldigungsschreiben vorlesen muss, da ich erblindet und mit einer blasenwerfenden Haut sterbend daniederliege. Von einem bedauerlichen Irrtum wird die Rede sein und davon, dass es ihnen leid tue und man mir ein Wochenende auf einer Wellnessfarm spendieren möchte. Je mehr ich mich da hineinsteigere, desto mehr juckt und brennt es unter meinen Armen. Teufel noch mal!
Das Singlegrillen muss ein voller Erfolg gewesen sein. Je nachdem wie man es sieht. Ich sammle etliche leere Flaschen Wodka ein und leere Brausetütchen fliegen über den Grillplatz, Ahoi Seemann. Auch andere Tütchen finde ich in einer Nische der Burgmauer nahe dem Waffenturm. Nur diese Tütchen sind nicht leer. Die hätten doch wenigstens einen Knoten oben rein machen können. Nä, also wirklich! Die schlüpfrigen Dinger wollen nicht in meiner Müllzange bleiben, ich brauch Handschuhe, dringend.
23
Von dem Gang aus, durch den ich gekommen bin, führen einige Türen links und rechts in Lager- und Wirtschaftsräume. Wenn ich Glück habe, sollten dort Handschuhe zu finden sein. An der Mülltonne hat sich ein neuer Pulk Fliegen gesammelt, doch diesmal nehmen sie keine Notiz von mir. Ihr Fresstrieb scheint mächtiger als ihre Jagdlust. Um ihre Toten vor der Tür kümmern sich die Ameisen. Hi, Kollegen, grüße ich sie leise, steige über das geschäftige Treiben hinweg und schlüpfe durch den Spalt. Alles so still hier im kühlen Gang. Ich entscheide mich für die erste Tür links. Ein Lagerraum für Getränke. Rechts gegenüber harren Toilettenartikel und Reinigungsutensilien ihrer Verwendung. Vielleicht werde ich hier fündig. Irgendwie riecht es hier komisch. Bin ich das etwa? Unter einem Regal entdecke ich einen riesigen alten Reisekoffer, der so gar nicht ins Bild passen will. Er ist unter dem Staub wahrscheinlich dunkelgrün und außen hat er sowohl Holz- wie auch Eisenbeschläge. Solche Koffer hat man um die 19. Jahrhundertwende benutzt. Meine Achenbachoma hatte so einen ähnlichen oben auf dem Ollern. Dieser Koffer hier scheint Quelle des Geruchs zu sein. Gerade als ich mich dorthin bücken will, knallt hinter mir die Tür ins Schloss und eine drohende Stimme fährt mich an:
»Was machst du denn hier?«
Ich habe den kleinen Kirmesmenschen gar nicht kommen hören. Udo baut sich breitbeinig wie ein Cowboy vor mir auf, so dass ich völlig erschrocken aus der Hocke wieder hoch komme und verstört antworte:
»Handschuhe. Ich suche Arbeitshandschuhe.«
Mit einem schnellen Griff fasst er sich ans Gesäß, zieht beige Handschuhe hervor wie einen Colt und knallt sie mir
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