Duftspur
einen Blick in den Lagerraum zu werfen. Der Koffer ist fort und wenn mich nicht alles täuscht, hat Kurt Obelix ihn eben verladen. Es klopft in meinem Gesicht. Mir ist, als begehre ein Specht Einlass in meinen wirren Kopf. Wenn das Riechorgan mal nicht gebrochen ist.
»Wie konnte das denn passieren?«, frage ich das breite Kreuz vor mir. Der gestern noch redselige Kurt gibt sich wortkarg und murmelt was vom Wind.
»Mit so einer Wucht? War da nicht auch noch ein Transporter?«
Statt einer Antwort betritt Udo die Szenerie in der Küche und macht sich an der Kaffeemaschine zu schaffen, während Kurt schweigend Eiswürfel in einen Beutel kippt. Ich sitze wie ein Schluck Wasser in der Kurve auf einem wackligen Schemel am Fenster.
»Du solltest besser auf dich achten. Das Leben zur Ritterzeit war nicht ungefährlich.« Udos Rat soll wohlgemeint klingen, doch etwas Drohendes geht von ihm aus. Er nickt Kurt zu und verlässt wieder den Raum. Sein Auftritt hatte was Theaterreifes, allein ein guter Meter Körperlänge und ein glänzend schwarzer, wehender Umhang fehlten. Kurt drückt mir den Eisbeutel ins Gesicht. Behalte ihn im Auge, raunt Kalle. Im Moment sehe ich klar, eiswürfelklar. Das tut gut. Hier stinkt doch was zum Himmel, Heiner, ärgert Kalle sich über die Ereignisse. Ich riech nix, entgegne ich durch meinen geschwollenen Zinken leise und nasal.
»Was?«, fragt Kurt.
»Wie lange arbeitest du schon hier?«, richte ich eine Frage an den Koch.
»Lange genug. Wann willst du denn mal damit anfangen?«
Irgendwas ist dem Kurt über die Leber gelaufen. Nichts Hochprozentiges, denn dann wäre er nicht so griesgrämig. Voller Aktionismus werfe ich den Eisbeutel ins Spülbecken gleich neben ihm und frage:
»Stets zu Diensten, ehrwürdiger Küchenmeister, was soll ich tun?«
Gegen seinen Willen muss der so Angesprochene grinsen. Einige seiner Handgriffe später löst sich eine Aspirin in Wasser auf und vor mir türmen sich etliche Schälchen, die ich mit Marmelade, Pflaumenmus, Müsli, Joghurt und anderem Frühstückszeug füllen soll. Brot aufschneiden, Brötchenkörbe aufstellen, Saft in Karaffen gießen, Eierkocher bedienen, Frühstückende beaufsichtigen, Munition nachliefern, falls was vergriffen ist. Eine etwas pummelige Teilnehmerin vom Single-Weekend will mich gewaltsam in ein Gespräch ziehen und fragt banalen Kram. Ob der Kaffee heiß genug für sie sei, beim Griff zum Aufschnitt gesteht sie mir, dass sie den gut abgehangenen Schinken vorziehe. Eine Knäckebrotlage später fragt sie, ob ich die Eier auch hart genug hätte, dann räuspert sie sich gespielt verlegen und korrigiert: hart genug gekocht hätte. Dabei rutscht sie immer so dicht an mich heran, so dass ich mich gezwungen sehe, den Geschirrwagen als Barriere zwischen uns zu schieben. Bevor sie endlich den Rittersaal verlässt, jubelt sie mir ihre Visitenkarte unter und haucht:
»Eins müssen Sie mir unbedingt erzählen: Welches Aftershave benutzen Sie?«
Dann geht sie süffisant lächelnd davon, es sollte verführerisch aussehen. Doch wie verführerisch sieht für einen Vegetarier ein glänzendes Spanferkel mit einem polierten Apfel in der Schnauze aus? Es muss an dem Fliegenzeug liegen, das ich mir mühsam versucht habe abzuwaschen. Ich muss mich unbedingt über die Teststoffe informieren, sobald ich einen Internetzugang finde, beschließe ich. An meinem Aussehen kann die penetrante Anziehung dieser Person nicht gelegen haben. Ich kann kaum an meiner Nase vorbeisehen. In meiner Hausapotheke müsste ich noch kühlendes Gel gegen Schwellungen haben.
24
Bei Lichte betrachtet sieht die Unordnung im Hungerturm nicht nach einer systematischen Suche aus, eher nach einem unkontrollierten Ausbruch, doziert Kalle, während ich meinen Kulturbeutel nach dem Gel durchforste. Ich finde die ausgemergelte Tube und quetsche einen Rest heraus, den ich mir gleichmäßig auf dem geschwollenen Riechkolben verteile. Das tut gut. Ich bilde mir ein, dass die Nase so schnell abschwillt wie sie aufgequollen ist.
Mehr durcheinanderbringen kannst du nicht, wenn du mal einen Blick in Michaels Sachen wirfst, versucht Kalle sich in der Überredung. Keiner fasst was an, hallen die Stimmen sämtlicher Kriminalkommissare im Fernsehen in mir. Ach, egal, denk ich, in so einer Unordnung kann man nicht hausen, selbst ich nicht. Ich werde jetzt zumindest mal die Sachen zusammenräumen, die den Weg zu meinem Bett und dem Schrank zum Hindernislauf machen. Nur Klamotten, bunte
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