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Duftspur

Duftspur

Titel: Duftspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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nicht aus dem Turm wagen. Soll er rufen. Ich kann die Zeit nutzen, um mir eine Ausrede einfallen zu lassen, falls er mich nach meiner Zeitverzögerung fragen sollte. Ganz vorsichtig drehe ich mich auf den Bauch und mache Anstalten, mir den Nagel hinten raus zu ziehen.
    »Was wird das denn?«, will Luca wissen. Als Antwort erhält sie von mir einen Grunzlaut. Jetzt habe ich ihn, den Übeltäter. Der Nagel steckt schräg unterhalb der Hintertaschennaht in meinem Fleisch. Der Gesell fühlt sich rau an und ich hoffe, dass das sicher rostige Ding nicht zu tief drin sitzt.
    »Heijeijei«, lässt Luca vernehmen, die sich über mich beugt und mit einem Ruck das Ding aus mir herauszieht. Ich grunz noch einen Ton, diesmal in die Matratze.
    »Glück gehabt«, sagt sie und hält mir das kleine Stück Alteisen unter die geschundene Nase. Ein Zimmermannsnagel sieht anders aus, meint der Advokat herablassend.
    Die doppelt genähte Taschennaht hat ein tieferes Eindringen in meine Sitzfläche verhindert und so ist nur des Drahtstifts fünf Millimeter lange Spitze mit meinem Blut benetzt.
    »Soll ich pusten?«, fragt das Gör und grinst schief.
    »Heiner zum Himmel!«, ruft es abermals aus der Burg. Die ansonsten freundliche Stimme des Herrn hat an Schärfe zugenommen.
    In drei und einem halben Satz erzähle ich Luca, was ich gesehen habe und dass die Verfolger aus dem Mustang dingfest gemacht worden sind, es aber noch zu früh für sie sei, sich blicken zu lassen. In ihrem Gesicht spiegelt sich zunächst Freude, anschließend Trotz wider. Der rostige Nagel prallt an die Holztür, die ich entschlossen von außen verriegle. Sehr einfallsreich ist sie aber nicht, frotzelt Kalle über Lucas Vorliebe, mit Gegenständen in meine Richtung zu werfen.
     
    »Herrgottnochmal!«, schimpft Jörn, als ich ihm eilig über die Füße renne, in Richtung Küche, da ich annehme, dass ich den Rittersaal von den Resten des Mittagessens befreien soll.
    »Was ist denn hier heute los?«, fragt er hektisch und starrt mich an, als wüsste ich es. Ich starre apathisch zurück, wobei ich all meine Konzentration aufwenden muss, den nötigen Gleichmut auszustrahlen.
    »Tschuldigung«, meint er dann und weist mich an, weiterhin Udo draußen zu helfen. Die Standplätze für die Händler und Gaukler müssten vorbereitet werden. Wir gehen ein Stück gemeinsam des Weges, dabei stammelt Jörn vor sich hin: »Erst ein Brand, dann die Polizei im Haus, dazu ein Lakai mit einer Gefangenen, ein Wilderer, ach, der ist ja immer da, eine Horde Kuschler und es folgt ein Aufgebot aus Mittelerde. Ich werde noch wahnsinnig!« Plötzlich stoppt er, packt mich am Ärmel und fragt:
    »Ist das alles noch normal? Stelle ich mich nur an? Bin ich nicht mehr belastbar? Zu alt?«
    Seine Augen schauen durch mich hindurch, bewegen sich kurz und ruckartig von links nach rechts, von rechts nach links, dabei scannen sie meine Gehirn-areale nach aktiven Regionen ab. Ohne dass ich etwas sage, kommt Jörn zu einem Ergebnis:
    »Du hast recht. Alles halb so wild. Einfach weitermachen. Wie immer das Beste geben. Die Gäste sollen sich schließlich wohl fühlen. So, jetzt mal ran an die Arbeit!«
    Er klöppert mir den bis eben festgehaltenen Arm, schaut aufmunternd in die Luft und eilt davon.
    Der ist aber durch den Wind, merkt Kalle an. Schon wieder mit Udo arbeiten, murrt es in mir. Ein gellender Pfiff ertönt. Suchend blicke ich mich um und entdecke Udo, der mir gestikuliert, ich solle bei ihm antreten. Dabei beschreibt seine rechte Hand einen Bogen und der ausgestreckte Zeigefinger weist auf eine Stelle neben seinem matschigen, rechten Stiefel. Ich bin doch kein Hund! Pfiff und bei Fuß. Ich fass es nicht!
    Eigentlich verabscheue ich Gewalt, doch in Momenten wie diesen frage ich mich, warum. Du kannst es dir nicht mit ihm verderben, gemahnt der Advokat, der die Fäuste in meinen Taschen sieht. ›Und der Haifisch, der hat Zähne und die trägt er im Gesicht ...‹ Als Udo merkt, dass er meine Aufmerksamkeit erlangt hat, geht er vor, weil er weiß, dass ich hinterhertrotten werde. Oder weil er weiß, dass ich die Hände geballt habe? ›Und MacHeath, der hat ein Messer, doch das Messer sieht man nicht ...‹, singt es in mir.
    Wir umrunden von außen den inneren Burghof und den Westbau. Im Abstand von drei Metern erreichen wir die Wiese am Fuße des Heinrichbaus und unterhalb der Bastion. Der Untergrund ist aufgeweicht. Geplant sei, dass hier neben einem Händler und einer Wahrsagerin das Zelt

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