Duftspur
blue Janis Joplin um ›a night at the town‹ gebetet hat, sperr ich sie wieder ein. Duschen könne sie später. Als ich die Tür verriegle, fliegt die Flasche wieder hinter mir her. Die ist ja vollkommen gestört, konstatiert Kalle. Nachdem ich mich ordentlich bei Udo abgemeldet habe, der immer noch dabei ist die Säge zu reparieren, lasse ich das Mittagessen zu Gunsten eines Besuchs im World Wide Web sausen. Kurt ist schon vor Ort und hat den Computer hochgefahren. Das Ding ist noch eine Spur langsamer als mein altes Möhrchen. Nach sieben Anläufen sind wir online.
»Ich esse lieber in echt, statt virtuell, bis nachher«, verabschiedet er sich.
Zuerst suche ich auf den Seiten des Norddeutschen Rundfunks nach dem toten Kapitän und werde fündig. Neuigkeiten zum Fall haben sie nicht zu vermelden. Die Seite weist mit einen Link zu einer anderen Adresse, die über Walfang berichtet. WWF und Greenpeace helfen mir nur insofern weiter, als dass ich dort erfahre, mit welchen Mitteln und unter welchem Vorwand einige Staaten den Walfang rechtfertigen. Forschungszwecke. Amber ist nur in einigen wenigen Gedärmen von Pottwalen zu finden und ein Pottwal kann bis 400 kg von der Masse enthalten. Aha, das hat Luca genau so gesagt. Was die Verwendung des Darmsteins anbelangt, erfahre ich hier nicht. Ich google eine andere Seite, die über den Einsatz von Amber schreibt. Zunächst übelriechende Masse, die von Walen ausgeschieden wird und im Kontakt mit Sonnenlicht und Sauerstoff die duftenden Aromen bildet. Die Verarbeitung des Ambers in edlen Parfüms ist aufwendig, steht da weiter. Heute nur noch synthetisch, nur noch selten, nur noch in Edelparfüms, immer noch wahnsinnig teuer. Eine weitere tierische Duftnote entstammt einer Drüse des Bibers und nennt sich auch so: Bibergeil. Das Wort aus dem Kleingedruckten in dem Pamphlet meiner Dufttests. Bah. Kalle kichert. Noch teurer als Amber ist der Duftstoff Moschus, heißt es. Ein Kilo des Sekrets, das in der asiatischen Medizin als unverzichtbar gilt, kostet rund 50.000 Euro. Bei Moschus, was auf Hindi so was wie Hoden bedeute, laut meiner Ex, muss ich an sie denken. Marie versprühte den Geruch in unserer Wohnung. Als ich nach Hause kam, fand ich sie nackt auf dem Bettvorleger sitzend, ›Ohm‹ summend, im festen Glauben, alle meine Sinne würden dadurch angeregt. Der visuelle Reiz hätte genügt, gab ich ihr anschließend Auskunft.
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Was die Details über Amber betrifft, hat Luca also nicht gelogen. Ich gebe als nächstes Stichwort ›illegaler Walfang‹ ein und lande wieder bei Umweltschützern. Es geht um das Wer und Wo und darum, wie die Wale geschlachtet werden. Harpunen mit Sprengsätzen werden erwähnt, was aber eine Menge zerstörtes Fleisch mit sich bringt. Das lässt mich an den toten Kapitän denken. Zurück zu den Parfüms. Ich klick mich auf die vorherige Seite. Dort ist ein Kasten mit weiteren Ausführungen zu dem Themenkomplex rund ums Riechen. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich noch ein bisschen Zeit habe. Ein weiterer Blick lässt mich die Frage aufschnappen: Gibt es Pheromone beim Menschen? Ja, aber in geringen Mengen. Der Mensch habe andere Rituale und zudem die Sprache. Obwohl, viel gesprochen wurde bei Marie und mir nicht, zumindest nicht von meiner Seite aus. Schon gar nicht über Sex, geschweige denn währenddessen. Mein Opa benötigte nur eine Silbe, um meiner Oma klarzumachen, dass der Fernsehabend endete und das Bett wartete: Öm. Was so viel heißt wie: Um. Was bedeutet, man wolle sich umlegen im Sinne von Hinlegen, nicht Flachlegen oder so was, einfach nur hin, sonst nichts. Der Mensch müsse sich also nicht mit Duftmarken verständigen, so die Meinung der Verfasser.
Ob mich ausgerechnet Bibergeil attraktiver macht? Was haben Frauen mit Nagetieren oder Paarhufern zu schaffen? Heiner, du schweifst ab, mahnt der Advokat. Inwieweit wir uns von oder an der Nase herumführen lassen, ist subjektiv und variabel. Fest steht, dass wir durch die Zeit bestimmt werden, doziert er. Kurt steht puddinglöffelnd in der Tür und sagt an, dass die Pause um sei.
»Hier«, Kurt reicht mir eine warme, mit Alufolie abgedeckte Schüssel, »ein bisschen Futter für den Tiger. Heute Nachmittag gibt’s Pflaumenkuchen.« Ich bedanke mich und gehe zum Turm. Auf dem Weg dorthin höre ich den Mustang aus dem Tal heraufkommen. Das darf doch nicht wahr sein! Von Hamburg bis ins Siegerland braucht man bestimmt fünf Stunden. Sollte die Hamburger Polizei
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