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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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zog meine Brieftasche und zählte ihm die Scheine auf.
    Er packte das Herz fein säuberlich in ein mit Watte gepolstertes Schächtelchen und verschnürte es mit einer bunten Kordel zu einem hübschen Päckchen. Ich überlegte, daß ich den Chef vor Feierabend noch um Vorschuß bitten müßte, aber er war ja ein netter Kerl, und ich wußte, daß er es mir nicht abschlagen würde.
    Als ich aus dem Juwelierladen trat – das Schächtelchen für mein Mädchen hatte ich in die Brusttasche gesteckt –, hörte ich es dreiviertel fünf schlagen. Es blieb also noch Zeit, zum Kino zu laufen und die Verabredung mit ihr für den Abend festzumachen und dann zur Werkstatt zurückzurennen; den Austin konnte ich dann immer noch rechtzeitig in Ordnung bringen.

    Auf dem Wege zum Kino schlug mir das Herz wie ein Schmiedehammer, ich konnte kaum Luft kriegen. Immerfort malte ich mir aus, wie sie da am Vorhang stehn, wie sie in ihrer Samtjacke mit der keck aufgesetzten Mütze aussehn würde.
    Vor dem Eingang stand eine kleine Schlange; ich sah, daß das Programm gewechselt hatte. Das Wildwestfilmplakat, wo der Cowboy dem Indianer das Messer in die Eingeweide stach, war verschwunden, statt dessen waren jetzt eine Menge Tanzgirls abgebildet, und dazu ein Kerl, der mit einem Spazierstock dirigierte. Also ein Revuefilm. Ich ging hinein, drückte mich an der Kasse vorbei und spähte hinüber zum Vorhang, wo sie stehn mußte. Da stand auch ganz richtig eine Platzanweiserin, aber es war nicht mein Mädchen. Es war ein großes, kräftiges Geschöpf, das in der Tracht albern aussah. Und sie versuchte, zwei Dinge auf einmal zu tun: die Billetts abzureißen und gleichzeitig mit der Taschenlampe zu hantieren.
    Ich wartete ein Weilchen. Vielleicht hatten sie die Arbeitsplätze getauscht und mein Mädchen war jetzt oben im Rang. Als der letzte Schub durch den Vorhang gegangen war und ich sah, daß sie einen Augenblick Ruhe haben würde, trat ich an sie heran und fragte: »Entschuldigen Sie, können Sie mir vielleicht sagen, wo ich die andre junge Dame einen Moment sprechen könnte?«
    Sie sah mich an. »Was für eine andre junge Dame?«
    »Die, die gestern abend hier war, die mit dem kupferroten Haar.«
    Sie warf mir einen forschenden, fast mißtrauischen Blick zu.
    »Sie ist heute nicht erschienen. Ich hab jetzt ihre Arbeit übernommen.«
    »Nicht erschienen?«
    »Nein. Komisch, daß Sie auch nach ihr fragen, Sie sind nämlich nicht der erste. Sogar die Polizei war vor kurzem hier. Sie haben den Geschäftsführer vernommen, und auch den Portier; bisher hat mir zwar noch keiner etwas gesagt, aber ich glaub, da ist irgendwas nicht in Ordnung.«
    Mein Herz schlug noch immer. Aber anders als vorher. Nicht freudig erregt, sondern dumpf, quälend. Als sei jemand plötzlich krank und ins Krankenhaus geschafft worden.
    »Die Polizei?« fragte ich. »Warum war die denn hier?«
    »Ich hab Ihnen doch gesagt, ich weiß es nicht, aber es muß mit ihr zusammenhängen. Der Geschäftsführer ist mit auf die Wache gegangen und noch nicht wieder zurück. Diesen Weg hier, bitte sehr, Rang nach links, Logen nach rechts.«
    Dort stand ich und wußte nicht, was tun. Es war, als hätte man mir den Boden unter den Füßen weggezogen.
    Das große Mädchen riß den Abschnitt von einem Billett und fragte über die Schulter: »War sie Ihre Freundin?«
    »So ähnlich«, antwortete ich. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
    »Na, wenn Sie mich fragen, ganz bei Trost war sie nicht. Soll mich nicht wundern, wenn sie sich was angetan und man sie tot gefunden hat. Nein, Eis wird in der Pause verkauft, nach der Wochenschau.«
    Ich ging auf die Straße hinaus. Die Schlange für die billigen Plätze war länger geworden, auch Kinder waren darunter, lärmend und aufgeregt. Ich stürzte davon, die Straße entlang, mir war ganz elend zumute, so merkwürdig. Irgendwas war meinem Mädchen zugestoßen. Jetzt begriff ich, warum sie mich gestern abend loswerden wollte. Darum sollte ich sie nicht nach Hause bringen. Sie hatte sich dort auf dem Friedhof etwas antun wollen. Deshalb redete sie auch so krauses Zeug und sah so bleich aus. Und jetzt hatte man sie also gefunden, dort auf der Grabplatte nahe beim Gitter.
    Wenn ich sie nicht allein gelassen hätte, wäre es nicht passiert. Wenn ich nur fünf Minuten länger geblieben wäre und ihr gut zugeredet hätte, dann hätt ich sie schließlich herumgekriegt und ohne Widerspruch nach Hause bringen können, und dann wäre sie jetzt im Kino und

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