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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Mädchen. Seien Sie nett zu ihr.« Dann hätt ich gewußt, daß sie in Sicherheit, behütet war, daß keiner ihr etwas tun konnte. Das war es nämlich, was mir plötzlich so angst machte, daß irgendeiner meinem Mädchen etwas antun könnte.
    Ich beugte mich nieder, legte meinen Arm um sie und zog sie an mich, ganz fest.
    »Hör mal«, sagte ich, »es gießt schrecklich. Ich bring dich nach Haus. Du holst dir hier auf dem nassen Stein den Tod.«
    »Nein«, sagte sie und legte mir die Hände auf die Schultern, »ich laß mich nicht nach Hause bringen, von keinem, niemals. Und du wirst zurückgehen, woher du gekommen bist, allein.«
    »Ich laß dich hier nicht so liegen«, sagte ich.
    »Doch, ich verlang es aber von dir. Wenn du es nicht tust, werde ich sehr böse. Und das willst du doch sicher nicht?«
    Ich starrte sie an, ganz bestürzt. Ihr Gesicht sah in dem trüben Licht so seltsam aus, noch blasser als vorher, ganz weiß, aber wunderschön. Heiliger Heiland, wie schön sie aussah! Das tönt wohl wie Lästerung, aber anders kann ich es nicht ausdrücken.
    »Was verlangst du denn von mir?« fragte ich.
    »Ich will, daß du weggehst und mich hier allein läßt, ohne dich umzusehn, wie im Traum, wie ein Schlafwandler. Einfach heimgehst, im Regen verschwindest. Du wirst Stunden brauchen. Aber das macht nichts, du hast lange Beine. Kehr in dein Zimmer zurück, wo es auch immer sein mag, und leg dich zu Bett und schlaf ein und wach morgen früh auf und geh zur Arbeit, genau wie immer.«
    »Und du?«
    »Mach dir darüber keine Gedanken. Geh einfach.«
    »Darf ich dich morgen abend vom Kino abholen? Könnte es zwischen uns nicht so werden, wie ich vorhin gesagt habe – etwas Festes?«
    Sie antwortete nicht. Lächelte nur. Saß ganz still und schaute mich unverwandt an. Dann schloß sie die Augen, warf den Kopf zurück und sagte: »Küß mich noch einmal, Fremder.«
    Ich verließ sie, wie sie es gewünscht hatte, sah mich auch nicht um. Kletterte durchs Friedhofsgitter hinaus auf die Straße. Weit und breit war keine Menschenseele, die Bude an der Bushaltestelle hatte inzwischen auch geschlossen, die Theke war hochgeklappt.
    Ich wanderte den Weg entlang, den wir mit dem Bus gekommen waren. Es mußte eine Hauptverkehrsstraße sein, sie lief immer geradeaus, endlos. Zu beiden Seiten lagen Läden, es war irgendwo im Nordosten von London, wo ich noch nie gewesen war. Ich kannte mich da nicht aus, aber das war ja auch egal. Ich ging wie ein Schlafwandler, genauso, wie sie es gesagt hatte.
    Die ganze Zeit über dachte ich nur an sie. Nichts als ihr Gesicht sah ich vor mir, während ich wanderte. Beim Militär gab es einen Ausdruck dafür, wenn einer so verschossen war, daß er weder sah noch hörte, noch wußte, was er tat. Hab das immer für Aufschneiderei gehalten und geglaubt, so was könne nur einem Besoffenen passieren, aber jetzt wußte ich, daß es wahr und mir selbst passiert war. Ich zwang mich auch, nicht weiter darüber nachzugrübeln, wie sie nach Hause käme; sie hatte es mir verboten. Wahrscheinlich wohnte sie dort in der Nähe, sonst wäre sie ja kaum so weit hinausgefahren. Merkwürdig war es ja, so weit weg von der Arbeitsstelle zu wohnen. Aber vielleicht würde sie mir allmählich mehr erzählen, Stück für Stück. Aushorchen würde ich sie nicht. Ich hatte nur einen einzigen Gedanken in meinem Schädel, und zwar sie am nächsten Abend vom Kino abzuholen. Das stand bombenfest, und nichts würde mich davon abbringen können. Die Stunden, bis es endlich zehn Uhr abends war, würden für mich leer sein.
    Ich wanderte weiter durch den Regen. Bald kam ein Lastwagen vorbei, ich hielt den Daumen hoch, und der Fahrer nahm mich ein gutes Stück mit, bis er in eine andere Richtung abbiegen mußte. Ich kletterte wieder hinunter und marschierte weiter. Es muß beinahe drei gewesen sein, als ich zu Hause anlangte.
    Normalerweise wäre es mir unangenehm gewesen, Thompsons herauszuklopfen, es war auch noch nie vorgekommen, aber durch die Liebe zu meinem Mädchen schwebte ich wie auf Wolken und machte mir nichts draus. Endlich kam Thompson herunter und öffnete die Tür. Ich hatte ein halbes dutzendmal klingeln müssen, ehe er es hörte, und da stand der arme Kerl, schlaftrunken und in zerknittertem Schlafanzug.
    »Was ist Ihnen denn passiert?« fragte er. »Meine Alte und ich, wir haben uns schon Sorgen Ihretwegen gemacht. Haben schon befürchtet, Sie hätten eins über den Schädel bekommen oder seien überfahren worden.

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