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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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dasselbe, was er mir über den Mord erzählt hatte, gleich auf der ersten Seite. Es müsse um zwei Uhr nachts geschehen sein, hieß es. Ein junger Soldat von den Fliegern. Im Nordosten der Stadt. Er hatte sich noch bis zu einer Telefonzelle geschleppt und die Polizei angerufen, und als sie ankamen, fanden sie ihn dort zusammengebrochen am Boden liegen.
    In der Zeitung stand, er habe im Krankenhaus noch eine Aussage gemacht. Er gab an, ein Mädchen habe ihn angesprochen, er sei, im Glauben, er könne ein kleines Liebesabenteuer erleben, mitgegangen – kurz vorher habe er sie in einer Kaffeebude zusammen mit einem anderen gesehen, und da habe er geglaubt, sie habe den anderen fallenlassen und sich in ihn verliebt, ja, und dann habe sie es ihm gegeben, direkt in die Eingeweide.
    Es hieß in der Zeitung, er habe der Polizei eine genaue Beschreibung von ihr geliefert, und dann stand da auch noch, die Polizei lege Wert darauf, mit dem anderen Mann, der früher am Abend in Begleitung des Mädchens gesehen worden war, in Verbindung zu kommen, um ihn dem Mädchen gegenüberzustellen.
    Ich wollte die Zeitung nicht länger sehen. Ich warf sie fort. Wanderte dann straßauf, straßab, bis ich todmüde war. Als ich annehmen konnte, die beiden Thompsons seien schon im Bett, angelte ich mir den Schlüssel, der an einem Bindfaden im Briefkasten hing, hervor, schloß auf und stieg nach oben in mein Zimmer.
    Frau Thompson hatte schon das Bett abgedeckt, fürsorglich eine Thermosflasche mit Tee hingestellt und daneben die Abendzeitung gelegt, die letzte Ausgabe.
    Sie hatten sie gefaßt. Nachmittags gegen drei Uhr. Ich las den Artikel nicht, weder Namen noch sonst etwas. Ich setzte mich mit der Zeitung in der Hand aufs Bett, und da, auf der ersten Seite, starrte mich mein Mädchen an. Dann nahm ich das Schächtelchen und die bunte Kordel fort, und so blieb ich sitzen und schaute auf das kleine Herz in meiner Hand.

Adieu Sagesse

    Richard Ferguson war ein langweiliger Mensch. Darüber waren sich alle einig. Er war der Typ, vor dem andere Leute sich in einen Laden flüchteten, wenn sie ihn auf der Straße nur von weitem sahen. »Rasch, gehen wir für ein paar Minuten hier rein, sonst laufen wir dem Alten in die Arme!« Dabei wußten sie, daß Ferguson bei einer Begegnung lediglich den Hut lüftete und weiterging, ohne je den Versuch zu unternehmen, sie von sich aus in ein Gespräch zu verwickeln. Es lag eben nur daran, daß er so sterbenslangweilig wirkte. Sämtlichen Einwohnern von Maltby war es ein Rätsel, wie er es zum Geschäftsführer der Western Bank gebracht hatte. Und daß er sogar verheiratet war… Nun, man hatte längst aufgehört, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Niemand konnte sich erinnern, wie er als junger Mann gewesen war, und als »attraktiv« hatte er bestimmt nie gegolten. Und doch hatte er eine so reizende Frau erwischt! Wirklich, sie war reizend, immer für Geselligkeit und die örtlichen Amüsements zu haben. Natürlich hatte sie auch einen köstlichen Humor – jenen echten Humor, wie er nur in Maltby zu Hause war. Und ihre drei Töchter standen im Mittelpunkt jeder Party. Es war ein Rätsel, daß die vier Ferguson-Damen das Leben mit dem alten Ferguson überhaupt ertrugen.
    Gott, welch ein Langweiler! Es hieß, er stünde daheim sehr unter dem Pantoffel. Na, das geschah ihm nur recht. Übrigens hatte er auch keine Manieren. Wenn er irgendwo eingeladen war, hockte er die ganze Zeit stumm herum, oder er starrte aus dem Fenster und hörte kein Wort von der angeregten Unterhaltung. Meistens spielte ein leichtes Lächeln um seine Lippen, das wohl Überlegenheit vortäuschen sollte. Ja, das war das rechte Wort: Er schien sich auch noch über alle anderen erhaben zu fühlen, und Maltby nahm ihm das übel.
    Arme Mrs. Ferguson! Wie hielt sie es nur mit diesem Stockfisch aus? In Gesellschaft war ihr schallendes, fröhliches Lachen allgegenwärtig; beim sonntäglichen Kirchgang übertönte ihr machtvoller Sopran sogar den Knabenchor. Lobet den Herrn! Und Mrs. Ferguson bei der Maltby-Regatta im August: da war sie vollends in ihrem Element. Unübersehbar, in eleganter silbergrauer Seide und mit einem geschmackvoll auf die Robe abgestimmten Sonnenschirmchen wandelte sie unermüdlich hin und her und kümmerte sich um die Clubmitglieder. Dann mochte es geschehen, daß sie den jungen Mr. Shipton schelmisch in die Rippen stieß: »Ist es nicht Zeit, Jack, einen eigenen Hausstand zu gründen?« Ein feiner Scherz, weiter

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