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DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend

Titel: DuMaurier, Daphne - Plötzlich an jenem Abend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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wiese den Leuten die Plätze an.
    Vielleicht war es doch nicht so schlimm, wie ich befürchtete. Vielleicht hatte sie plötzlich ihr Gedächtnis verloren, war umhergeirrt und von der Polizei aufgegriffen und mitgenommen worden. Dann hatten sie wohl herausbekommen, wo sie arbeitete, und darum auch den Geschäftsführer geholt, damit er bestätigte, daß es so war. Wenn ich zur Wache ginge und mich erkundigte, würden sie mir vielleicht verraten, was passiert war, und dann würde ich aussagen, daß sie meine Freundin sei und wir zusammen aus waren. Und wenn sie mich auch nicht wiedererkannte, würde ich mich nicht davon abbringen lassen. Aber ich konnte den Chef nicht im Stich lassen, mußte erst diesen Austin in Gang bringen, aber hinterher, wenn ich fertig war, dann würde ich gleich zur Polizei gehen.
    All mein Lebensmut war dahin, in der Werkstatt wußte ich kaum, was ich tat, und zum erstenmal wollte sich mir bei dem Gestank dort der Magen umdrehen: Öl und Dreck, und obendrein ließ ein Kerl vor dem Ausfahren seinen Motor wie verrückt rattern, und der Auspuff stieß dicken, schwarzen Qualm aus, der die ganze Werkstatt verpestete.
    Ich streifte den Overall über, holte mein Werkzeug und nahm den Austin vor. Die ganze Zeit über grübelte ich, was meinem Mädchen passiert sein könne, ob sie nun allein und verloren auf der Wache saß oder ob sie irgendwo lag – tot. Und immerzu hatte ich ihr Gesicht vor Augen, so wie gestern abend.
    Es dauerte nur anderthalb Stunden, da hatte ich den Austin fix und fertig, mit Tanken und allem, und ich stellte ihn so in die Ausfahrt, daß der Besitzer gleich losfahren konnte. Aber dann war ich auch völlig ausgepumpt, hundemüde, und der Schweiß lief mir nur so übers Gesicht. Ich wusch mich flüchtig, zog meine Jacke an, und da fühlte ich das Schächtelchen in der Brusttasche. Ich nahm es heraus und schaute es mir an, so niedlich war es mit der bunten Kordel; da hörte ich aber den Chef kommen – ich stand mit dem Rücken zur Tür – und steckte es rasch wieder ein.
    »Haben Sie gekriegt, was Sie haben wollten?« fragte er, freundlich lächelnd.
    »Ja«, sagte ich.
    Ich hatte aber keine Lust, darüber zu sprechen, sagte ihm nur, die Arbeit sei fertig und der Austin fahrbereit. Dann ging ich mit ihm ins Büro, damit er die Reparatur und die Überstunden eintragen konnte. Auf seinem Schreibtisch lag eine Schachtel Zigaretten – und er bot mir eine an – und daneben die Abendzeitung.
    »Hab eben gelesen, daß ›Glücksdame‹ das Drei-Uhr-dreißig-Rennen gemacht hat«, sagte er. »Hab diese Woche ein paar Scheinchen gewonnen.«
    Er trug die Reparatur ins Hauptbuch ein, um die Lohnliste auf dem laufenden zu halten.
    »Gratuliere«, sagte ich.
    »Hab nur auf Platz gesetzt, ich Schafskopf. Brachte fünfundzwanzig zu eins. Immerhin, Wetten macht Spaß.«
    Ich antwortete nicht. Im allgemeinen mach ich mir nicht viel aus Schnaps, aber in diesem Augenblick hätte ich ein Glas verdammt nötig gehabt. Ich wischte mir mit dem Taschentuch die Stirn. Wenn er doch endlich mit seiner Kritzelei fertig wäre, guten Abend sagte und mich gehn ließe.
    »Schon wieder hat so 'n armer Teufel dran glauben müssen«, fuhr er fort. »Das ist der dritte innerhalb der letzten drei Wochen. Wieder den Bauch aufgeschlitzt, genau wie bei den anderen. Heute früh im Krankenhaus ist er gestorben. Auf die Flieger scheint man's abgesehen zu haben.«
    »Wie kam es denn? Düsenflugzeug?«
    »Düsenflugzeug? Nein, Mord, verdammt noch mal! Das Messer direkt in die Eingeweide, der arme Kerl! Lesen Sie denn keine Zeitung? Ist doch schon der dritte in drei Wochen, immer genau dasselbe, immer Flieger und immer auf einem Friedhof oder dicht dabei. Grad eben hab ich dem Mann, der tanken kam, gesagt, es sind nicht immer nur Männer, die einen Koller kriegen und Lustmorde begehen, bei Weibern kommt so was auch vor. Aber die hier werden sie diesmal schon schnappen. In der Zeitung steht, sie seien schon hinter ihr her und die Verhaftung in Kürze zu erwarten. Ist ja wahrhaftig auch Zeit, ehe noch so ein armer Teufel dran glauben muß.«
    Er klappte sein Hauptbuch zu und steckte den Bleistift hinters Ohr.
    »Wie wär's mit einem Gläschen?« fragte er. »Hab eine Flasche Gin drüben im Schrank.«
    »Nein«, sagte ich, »nein, vielen Dank. Ich hab… Ich hab eine Verabredung.«
    »Recht so«, meinte er lächelnd, »amüsieren Sie sich.«
    Ich ging die Straße hinunter und kaufte mir die Abendzeitung. Darin stand genau

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