Dumm gelaufen, Darling
Kalifornien gezogen. Insofern war es nur folgerichtig gewesen, dass sie nach dem Tod der Eltern zu Onkel Marc gekommen war. Immerhin hatte sie eine vage Erinnerung daran gehabt, Onkel Marc gelegentlich in den Ferien gesehen zu haben. Von der Seite ihrer Mutter gab es keine weitere Familie, da sie ein Einzelkind gewesen war.
Ironischerweise war das Geld, das Lacey nach Tys Willen beanspruchen sollte, schon seit Generationen in der Familie ihrer Mutter weitergegeben worden. Lacey war die Alleinerbin. Es mochte allerdings Bestimmungen geben, dass im Fall ihres Todes das Geld in die Familie ihres Vaters übergehen sollte. Sie wusste es nicht. Ihre Eltern hatten wenig über das Vermögen gesprochen. Stattdessen hatte sich ihr Vater auf seine Autowerkstatt konzentriert, die auf die Restaurierung von Oldtimern spezialisiert gewesen war.
Nach dem Autounfall ihrer Eltern in einem hurrikanartigen Unwetter war Onkel Marc in ihr Elternhaus eingezogen und hatte die Werkstatt ihres Vaters übernommen. Er mochte das Anwesen, das Grundstück und spielte gerne den Gutsherrn.
Von Anfang an hatte er versucht, sie auf jede mögliche Weise für sich einzunehmen. Er hatte zuerst den freundlichen Onkel gegeben, und sie war darauf hereingefallen. Wie konnte sie auch anders, wo sie doch mit sechzehn so dringend jemanden brauchte, auf den sie zählen konnte? Doch sie begriff rasch, dass er trank, und lernte, dass man sich umso mehr von ihm fernhalten musste, je betrunkener er war. Eines Nachmittags kam sie früher von der Schule nach Hause und hörte ihn am Telefon darüber sprechen, dass sie ihm die Rechte an dem Treuhandfonds überschreiben müsse, solange sie noch jung sei, weil er sonst keine Möglichkeit mehr hätte, sie zu manipulieren. Wenn sie einundzwanzig werde, müsse sie ihm so sehr vertrauen, dass sie alles Gewünschte ohne Fragen unterschriebe. Eingeschlossen die Erlaubnis, der Verwalter ihres Treuhandfonds zu werden.
Selbst mit sechzehn wusste sie, was Verrat war – und dies war ein teuflischer Verrat. Wut und Hass stiegen in ihr auf, und sie entschied sich, ihm das Leben fortan so schwer wie möglich zu machen. Sie wurde ein rebellischer Teenager. Als Reaktion griff er hart durch und wurde immer brutaler – in der Hoffnung, dass sie aus Angst nachgeben würde. Als sich ihr Verhalten nicht änderte, kam er ihr mit einer Drohung, von der sie niemals geglaubt hatte, dass er sie in die Tat umsetzen würde.
Doch er gab sie tatsächlich in eine Pflegefamilie – vorübergehend, wie er sagte –, um sie gefügig zu machen. Er verlangte von ihr, dankbar dafür zu sein, wieder nach Hause zu dürfen, dass sie nicht nur klein beigab, sondern in Zukunft mitsamt ihrem Treuhandfonds auch leichter zu kontrollieren sein würde. Dank Ty und Hunter bekam er niemals die Gelegenheit dazu.
Damals hatte sich Lilly keine Gedanken über die rechtlichen Konsequenzen gemacht oder über das Geld, das ihr erst an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag gehören würde – woran ihr Onkel sie ständig erinnert hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte sie bereits ein neues Leben angefangen und eine so tief verwurzelte Furcht vor ihrem Onkel verspürt, dass sie nicht hatte zurückkehren wollen. Sie war davon ausgegangen, dass das Geld unberührt bleiben würde, und war zufrieden, wenn es blieb, wo es war.
Sie wischte die Tränen fort, die ihr die Wangen hinunterliefen. Die Erinnerung an ihre Eltern und das, was sie verloren hatte, schmerzte immer noch sehr, doch beim Gedanken an die Zeit danach drehte sich ihr Magen um, und der alte Zorn und die Abneigung flammten wieder auf. Von der kleinen Prinzessin ihrer Eltern war sie zum Eigentum ihres Onkels geworden, der sie je nach Laune aus ihrem eigenen Haus hinauswerfen konnte.
Der Gedanke daran festigte ihre Entscheidung. Lacey brauchte das Geld nicht, das die Eltern ihr hinterlassen hatten. Schließlich lebte sie schon so lange ohne das Vermögen, dass sie kaum je daran dachte. Doch sie wollte auf keinen Fall, dass ihr fieser Onkel vom Tod ihrer Eltern profitierte. Er hatte das Geschäft, das er von ihrem Vater übernommen hatte, wenig später in den Ruin getrieben und sich ihr Elternhaus unter den Nagel gerissen. Sie würde es nicht zulassen, dass er noch mehr bekäme.
Lacey war kein rachsüchtiger Mensch. Sie war stolz auf das Leben, das sie sich in New York aufgebaut hatte und für das sie hart arbeitete. Das war auch der Grund für ihr spontanes Widerstreben, mit Ty nach Hause zurückzukehren. Doch bei dem
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