Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
du so scharf auf einen neuen Fall bist, dass du dir alles Mögliche einfallen lassen würdest, nur um einen zu haben.«
»Bist du dabei oder nicht?«
»Auf keinen Fall.«
Kapitel 4
Unsere Rückfahrt verläuft weitestgehend schweigend, allerdings untermalt von diesem grauenvollen italienischen Schnulzensänger, den mein Partner immer im Auto hört. Die meiste Zeit blicke ich aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen, und versuche, nicht mit dem elektrischen Fensterheber herumzuspielen. Nach einer kleinen Ewigkeit setzt Phil mich am Zoo ab. Ich bin noch immer beleidigt. Ein bisschen jedenfalls. Es dunkelt. Ich kraule mir die Eier. Manchmal gibt er mir einfach das Gefühl, nicht auf Augenhöhe mit ihm zu sein, mich nicht richtig ernst zu nehmen.
»Also gut.« Er stellt den Motor ab, der Italiener verstummt, und wie durch Magie schaltet sich im selben Moment überall in der Stadt die Straßenbeleuchtung ein. »Ich werd ein bisschen herumtelefonieren wegen des Pferdes, auf das du so gerne gewettet hättest.«
»Stardust«, erinnere ich ihn.
»Stardust, genau. Aber erwarte nicht zu viel, Ray. Da ist nichts dran. Eine Auftraggeberin, die ihren Geliebten verloren hat, sieht immer Gespenster.«
»Angel Eyes ist überzeugt, dass es Mord war.«
Phil verzieht die Mundwinkel zu einem halben Schmunzeln: »Gespenster, Ray. Nichts als Gespenster.«
Phils Worte hallen im meinem Kopf nach, als ich durch die Zaunstreben schlüpfe, zum Unteren Waldschänkenteich laufe und dort innehalte, um die zitternde Spiegelung der großen Laterne auf der Wasseroberfläche zu betrachten. Wie leuchtendes Eigelb. Die Hirsche haben sich bereits in ihr Haus zurückgezogen, und auch bei den Raubkatzen kehrt langsam Ruhe ein. Ein kühler Wind streicht über den gepflasterten Weg. Die Nacht wird unbehaglich werden.
Gespenster.
Um mich nicht dem Anblick von Elsas Gehege auszusetzen, gehe ich oben herum, vorbei am Antilopen- und Giraffengehege und hinter dem Hühnerhaus entlang. Auch so gelangt man zum Vierwaldstätter See mit seinen Flamingos.
»Hallo, äh, du da.«
»Ray, ich heiße Ray, okay?«
»Ach so, ja, stimmt ja.« Der Flamingo dreht seinen Kopf einmal um die eigene Achse. Ein Wunder, dass die nicht jeden Morgen mit Knoten im Hals aufwachen. »Du kannst dir deinen Namen aber ganz schön gut merken, oder?«
»Tipptopp«, sage ich und versuche, eine Art Daumen-hoch-Zeichen zu machen, was mit meinen Krallen leider nicht funktioniert und deshalb ziemlich dämlich aussieht.
»Sag mal, und weißt du, Ray, auch noch, wie ich heiße?«
»Ah, du bist der Flamingo von heute Morgen, stimmt’s?«, schließe ich messerscharf, der Dämlack, den ich Ramirez getauft habe. Bevor ich meine Runde gedreht habe und feststellen musste, dass an Stelle von Elsa, Elsa!, Elsa!! sich eine peruanische Hasenmaus namens Erwin in ihrem Gehege breitgemacht hat.
Der Flamingo kichert verlegen: »Glaube schon.«
»Aber sicher weiß ich, wie du heißt«, rufe ich mit gespielter Freude. »Du bist Annabelle.«
Der Flamingo zuckt erschrocken zurück. »Ehrlich?«
»Ganz ehrlich.«
»Aber dann bin ich ja ein Weibchen!«
»Und was für eins!«
Beinahe beneide ich ihn um seine Dummheit. Morgens bist du Ramirez, der coole Macho und Puffgänger, abends sexy Annabelle, die heimlich ohne Höschen unterm Kleid rumläuft. Ramirez/Annabelle versucht, eine weitere Halsumdrehung draufzusetzen, merkt im letzten Moment, dass er oder sie dadurch ersticken würde, und entwirrt den Hals in die andere Richtung.
»Cool.« Mit diesen Worten wendet der Flamingo sich ab, als sei es unter seiner Würde, mit einem Erdmännchen zu reden, und stakst auf unsichtbaren High Heels davon. Als Nächstes höre ich ihn rufen: »Hey Leute, das Erdmännchen sagt, ich heiße – äh – Annabelle!«
Bevor ich in dem Geheimgang verschwinde, der vom Flamingohaus hinüber in unseren Bau führt, werfe ich einen letzten Blick in den Abendhimmel, wo gerade die ersten Sterne sichtbar werden. Was für ein sonderbarer Tag, dieser Frühlingsanfang. Phil ist zurück, Elsa weg, ein Pferd auf Flügeln in den Himmeln geritten. Das Leben ist ein Roulette, und jeden Tag wird das Rad neu gedreht.
Rufus sitzt, wer hätte es gedacht, in unserem Headquarter vor der als Konferenztisch dienenden Weinkiste und wischt über sein Smartphone. Im bläulich-milchigen Licht des Displays sieht sein Gesicht aus wie vom Wahnsinn gezeichnet. Der Rest des Raumes verschwimmt im Halbdunkel.
War seine Idee, das mit dem
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