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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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ganz aufgekratzt. »Wie behindert sieht
das
denn aus?«
    »Ja«, bestätigt Mitzi, die eigentlich immer nur wiederholt, was Marcia vorgibt. »Sah echt voll krass behindert aus!«
    Marcia drückt sich an mir vorbei, ohne mich zur Kenntnis zu nehmen. »Macht sie total blass!«
    Minki und Mitzi folgen. »Und dieser Schnitt …«
    »Total old school!«
    Dann passiert es: Ich habe praktisch meine Kammer erreicht und kann es kaum erwarten, den Deckel meiner Laptoptasche über mir zu schließen, als Roxi aus den königlichen Gemächern tritt, an einer Hand Celina, an der anderen Colin. Über ihren Bauch und ihre Brust spannt sich, hauteng anliegend, mintgrün und auf dem Rücken und im Nacken verknotet, ein – tja, was ist das? Ein Mundschutz?
    Jepp, ist es. Ein OP -Mundschutz.
    Als wüsste meine Schwester nicht selbst, dass sie dieses Ding umgebunden hat, deute ich mit einer Kralle auf den gerippten Stoff. »Was’n das?«
    Roxi funkelt mich an: »Wonach sieht es denn deiner Meinung nach aus?«
    »Nach einem Mundschutz?«
    Colin schaut unbeteiligt in die Gegend, Celina muss Pipi und tritt von einem Bein auf das andere. »Das ist ein Still- BH «, sagt Roxi mit der Stimme eines mittelfeinen Zahnbohrers.
    Still- BH ? Nein, ist Unsinn. Ich muss mich verhört haben. »Dein …«
    »… Still- BH , ganz recht. Glaubst du vielleicht, ich bin scharf drauf, dass ihr mir alle auf die Titten glotzt, oder was? Jetzt, wo ich am Stillen bin?«
    Mir fehlen die Worte. Ich betrachte das Mutter-Kind-Ensemble, nehme Abschied von meiner Schwester, wie ich sie kannte. Ihre Warzen zeichnen sich übrigens mehr als deutlich durch den Stoff ab. Um ehrlich zu sein: Sie waren noch nie auffälliger zu sehen als jetzt. Abgesehen davon ist es noch nicht lange her, da konnten gar nicht genug Männchen auf Roxis Titten glotzen. Ich habe nie viel für meine Schwester aus dem ersten Wurf übriggehabt, doch ich beginne zu ahnen, dass sie mir als prolliges Luder immer noch lieber war als als Hystie-Mum.
    »Hunger«, mault Colin und zieht Richtung Ostausgang.
    Celina zieht nach Westen: »Ich muss pullern!«
    »Ruhe!«, herrscht Roxi sie an, »jeder bekommt, was er will, aber ohne Meckern, bitte schön.«
    Mit diesen Worten wendet sie sich ab und zerrt ihre Kinder Richtung Nordausgang. Ich warte, rühre mich nicht – bis alle außer Sicht- und Hörweite sind und der Spuk vorbei ist. Dann eile ich in meine Kammer, rette mich in meine Tasche, schließe erst den Deckel, dann meine Augen. Schön bequem, meine Tasche. Gepolstert. Aber ich vermisse mein Reggae-Halstuch. Mach einen geistigen Vermerk, Ray: Brauche neues Halstuch.
    Done.
    Over.
    And out.

Kapitel 6
    »Ray, bist du da drin?«
    Ich öffne die Augen, vielmehr: Ich versuche es. Allerdings steht mein Bruder, der mal wieder auf meiner Tasche herumdrückt, praktisch auf meinem Gesicht.
    »Runter da!«, fauche ich.
    Es ist Mittag, ich spüre es. Innere Uhr, innerer Kompass. So viel zu: den Rest des Tages ungestört in meiner Kammer liegen.
    »Deine Stimmung scheint sich ja seit heute Morgen nicht signifikant gebessert zu haben«, bemerkt Rufus säuerlich.
    »Ich geb dir gleich ›signifikant‹«, entgegne ich.
    Rufus versucht, den Deckel meiner Tasche zurückzuschieben, ich halte von innen dagegen.
    »Willst du nicht mal da rauskommen?«
    »Warum sollte ich?« Frage – Gegenfrage. Kann ich auch.
    »Phil ist da.«
    Ich strecke meinen Kopf aus der Tasche: »Sag das doch gleich.«
    In unserem Gehege ist mächtig was los. Die Wachposten sind besetzt; die Gang aus dem vierten Wurf hockt auf dem Rand des noch wasserlosen Wasserbeckens und überlegt, wie sie am schnellsten an illegale Substanzen kommt; die Girls aus dem fünften Wurf jagen Alex hinterher, der in unserem Clan die Rolle des Horterziehers übernommen hat. Er hat ein Vorderbein in die Höhe gestreckt und hält ein Überraschungsei-Filly-Pferdchen zwischen den Krallen.
    »Wer’s kriegt, der darf’s behalten!«, ruft er, während er lachend im Zickzack über den Rasen eiert.
    Auf der den Besuchern abgewandten Seite unseres großen Hügels, im Steinbruch, steht der breitbeinige Rocky mit vor der Brust verschränkten Armen. Neben ihm drischt Colin so lange mit einem taubeneigroßen Stein auf einen anderen Stein ein, bis einer von beiden zerbricht. Dann blickt er stolz zu Rocky auf, holt sich eine liebevolle Kopfnuss ab und nimmt sich den nächsten Stein vor. Ganz der Vater. Pa steht derweil, auf seinen Stock gestützt, im Schatten des

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