Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
muss sich die arme Maya bereits für ihre Frühflugübungen aufwärmen, doch von den Zebras lässt sich noch keines blicken.
Rufus und ich schieben uns durch die Zaunstreben und wackeln den Hügel hinauf. Ich klopfe an die erstbeste Tür. Die sehen ohnehin alle gleich aus. »Jemand wach da drinnen?«
»Momentchen!«, tönt es aus dem Inneren.
Ich höre Hufscharren, weiche vorsichtshalber drei Schritte zurück und habe gerade noch Gelegenheit, den fragenden Ausdruck im Gesicht meines Bruders zu sehen, als die Tür auffliegt und Rufus wie ein Stück Pizzateig zwischen Tür und Wand gequetscht wird.
»Wer … Oh, hallöchen, Ray, du bist’s!«
Die Zebras in unserem Zoo sind ausschließlich Grevyzebras. Wohlmeinend, chronisch gutgelaunt und … hyperaktiv. Sollte Rufus eigentlich wissen, der gerade auf allen vieren hinter der Tür hervorkriecht, keuchend sein Gleichgewicht ertastet und sich mit geübtem Ruck den Hals einrenkt. Da fühlt sich auch mein eigener Hals gleich viel besser an. Sein Gesichtsausdruck besagt: Schlimmer als eine Schelle von Rocky war’s auch nicht. Das Smartphone hat einen üblen Abdruck in seinem Bauchfell hinterlassen, scheint aber noch zu funktionieren.
»Oh, und wer bist du?«
Rufus hat noch mit seinem Gleichgewicht zu kämpfen, deshalb antworte ich an seiner Stelle: »Hi Stripes, das ist mein Bruder Rufus.«
»Oh, freut mich! Hallöchen, Rufus. Was machst du denn hinter der Tür? Und was ist das für ein lustiger Gurt um deinen Bauch?«
»Ich …« Rufus setzt zu einer Erklärung an, winkt aber ab.
»Ist bei euch alles okay?«, frage ich.
Eine Frage, die sich im selben Moment erübrigt, denn aus dem Häuschen dringt kollektives Gelächter, und ein anderes Zebra ruft: »Stripes, wo bleibst du denn? Scoubi hat schon wieder verloren! Nächste Runde!«
»Komme gleich!« Stripes trippelt zwei Schritte vor, zwei Schritte zurück, zwei vor … »Oh, ja, klar«, wendet er sich mir zu. »Wieso?«
»Weil ihr alle noch da drin seid.«
Das Vorderbein in der Luft, hält Stripes inne. Jetzt bemerkt auch er es: Der Tag bricht an. Zeit, nach draußen zu gehen. Aus der Kondor-Voliere kommt Usarmys Stimme: »Sprei-zen, Maya, spreiz deine Flügel!«
Stripes’ Trippeln setzt wieder ein. Zwei vor, zwei zurück, zwei vor … »Ja, weißt du«, er senkt seine Stimme zu einem Flüstern, »wir spielen gerade Twister.«
Damit überrascht er sogar mich.
»Macht totalen Bock«, trippel-di-trippel-di-tripp. »Bei den vielen Streifen … Da weißt du gar nicht, wo der eine anfängt und der andere aufhört. Ist echt voll … witzig irgendwie!«
Apropos Streifen: Durch Stripes’ ständiges Vor und Zurück ist mir ganz schummrig geworden. Wie Autoscooter fahren. Ich freu mich bereits auf die Befragung. »Kannst du mal kurz stillhalten«, bitte ich ihn.
»Oh, sicher.« Er bleibt stehen. Das eine Bein allerdings bewegt sich weiter – vor, zurück, vor, zurück.
»Pass auf«, sage ich, »mein Bruder und ich, wir ermitteln in einem neuen Fall.« Schon bewegt sich auch Stripes’ zweites Bein. »Und wir könnten eure Hilfe gebrauchen.«
»Wow!« Damit geht das Getrippel wieder los. Gleich kotze ich Stripes vor die Hufe, denke ich, doch dann macht er auf der Stelle kehrt und ruft: »Dann mal immer rein in die gute Stube!«
Bei dem Versuch herauszufinden, wem in ihrem Twister-Knäuel welches Bein gehört, bricht eins der Zebras in ein so hysterisches Lachen aus, dass es in Ohnmacht fällt. Kawumm! – schlägt volle Breitseite auf den Boden. Um es herum steigt eine Staubwolke auf. Das Häuschen erstarrt, einzig der Staub bewegt sich in dem durch das Minarett einfallenden Licht.
Dann schlägt das Zebra die Augen auf. Ich glaube, es ist Scoubi: »Bin ich etwa in Ohnmacht gefallen?«, wiehert sie.
Sofort bricht wieder kollektives Gelächter aus.
Während Rufus auf die Umrandung der Futterluke klettert und das Smartphone vorbereitet, bringe ich die Zebras zur Ruhe und erkläre ihnen, worum es geht. »Und bitte«, schließe ich, »könnt ihr, während ihr euch die Aufnahmen anseht, versuchen, nicht ständig mit euren Hintern zu wackeln?«
Wir machen es wie Rufus und ich im Headquarter: sehen uns den Moment des Sturzes an, vorwärts, rückwärts, in Zeitlupe, mit vergrößertem Bildausschnitt, vorwärts, rückwärts … Die Zebras scharren mit den Hufen und drängen sich vor dem Smartphone um den besten Platz. Jeder will als Erster den entscheidenden Hinweis entdecken.
»Also, schön sieht das
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