Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
der Cousin aus Amerika, der sich seit Jahren nicht hat blicken lassen. »Sekündchen! Bin gleich bei Ihnen!«
Ich höre die Balkontür klappern, dann passiert erst einmal nichts. Phil und ich sehen uns um: Zu beiden Seiten des Hauses gibt es – in angemessener Entfernung, versteht sich – Nebengebäude, Ställe, alles Mögliche. Wahrscheinlich hat der Gärtner, der auf der gegenüberliegenden Seite des Vorplatzes gerade einen Zierbaum zu einem perfekten Kegel stutzt, ein Häuschen eigens für seine Trimmscheren.
Nach einer Zeit, die Phil normalerweise braucht, um aufzustehen, zu duschen, sich mal wieder nicht zu rasieren, zwei Kaffee zu frühstücken und dabei die Zeitung zu überfliegen, öffnet sich die Haustür und Hansen erscheint – in Morgenmantel und Hauspantoffeln, monogrammbestickt, beides, am frühen Nachmittag. Der Mann weiß sich zu inszenieren. »Herr Mahlow!«, sie reichen sich die Hände, »bitte, kommen Sie doch herein.«
Er schlurft voran in eine Art Rittersaal, dessen Wände mit antikem Nippes gespickt sind und der von einer langen Tafel dominiert wird, der sich alles andere im Raum unterzuordnen hat.
»Bitte«, er deutet auf die Tafel, »nehmen Sie doch Platz. Ich lasse uns Tee kommen. Bin gleich wieder da.«
Und schwupps! sind seine Puschelpantoffeln wieder verschwunden. Sollte ihn interessieren, weshalb Phil überhaupt hergekommen ist, so weiß er das gut zu verbergen.
Mein Partner betritt den Raum, das Parkett knarzt, er setzt sich, stellt seine Tasche auf dem Nachbarstuhl ab und öffnet sie. Jetzt sitze ich selbst in einem Cabrio. Ich erblicke Schwerter, einen ausgestopften Pferdekopf, Wandteppiche mit handgeknüpften Schlachtszenen.
»Was’n das für ’ne Freakshow?«, frage ich.
Statt zu antworten, schließt mein Partner wieder das Verdeck. Durch die Seitenöffnung sehe ich, wie ein Tablett abgestellt wird, Sterlingsilber, eine Spitzenschürze.
»Danke«, sagt Phil.
Eine Frauenstimme antwortet: »Bitte sehr.«
Die Tafel glänzt im Gegenlicht. Von Staub keine Spur. Ich weiß nicht, warum, doch ich muss den Impuls unterdrücken, aus der Tasche zu springen und ein paar deftige Rillen hineinzukratzen.
Wieder öffnet sich die Tür. Hansen ist zurück. Kleinkarierter Anzug, fliederfarbenes Hemd, Fliege, Einstecktuch. »Wie ich sehe, war Maisie bereits da.«
Umständlich setzt er sich Phil gegenüber, gießt erst meinem Partner, anschließend sich selbst Tee ein.
»Milch?«
»Danke, nein«, antwortet Phil.
Tee ist für meinen Partner das, was für einen Fleischfresser Gemüsebrühe ist. Und Tee mit Milch … Da gibt es nicht einmal einen Vergleich für.
Hansen gießt sich einen Schuss Milch in den Tee, taucht einen Löffeln hinein, rührt um, streift den Löffel am Tassenrand ab, legt ihn hin, hebt die Tasse an, führt sie zum Mund, trinkt.
»Was führt Sie zu mir?«, fragt er freundlich.
»Zufall«, antwortet Phil. »Ich war in der Gegend, als mir einfiel, dass ihr Gestüt ja hier liegt … Also dachte ich, bringe ich Ihnen meine Rechnung doch einfach persönlich vorbei.«
»Oh, bitte«, Hansen setzt seine Tasse ab, »lassen Sie uns nicht über Geld reden.«
Die Herren trinken ihren Tee. Ich bin mir sicher, Phil überlegt gerade, wie er seinem, ohne die Etikette zu verletzen, mit einem Schuss aus seinem Flachmann etwas Geschmack einhauchen könnte.
»Was hat Sie in unsere Gegend geführt?«, fragt Hansen.
Da vorauszusehen war, dass er Phil diese Frage stellen würde, hat sich mein Partner bereits eine überzeugende Antwort zurechtgelegt.
»Hm?«
»Was Sie hierhergeführt hat«, wiederholt Hansen. »Wollten Sie zu den Uckermarks?«
Phil muss einen Moment nachdenken, doch dann checkt er die Verbindung: Der gebeugte Mann auf dem Parkplatz, Angel Eyes, Stardust, der im Koma liegende Jockey … Ach ja, und die Tochter gab es auch noch, Ann-Sophie.
»Die Uckermarks?«
»Das wussten Sie nicht? Den Uckermarks gehört das Nachbargestüt. Noch, jedenfalls …«
Wie aufs Stichwort zieht plötzlich ein kalter Windhauch durch den Saal, und ich sehe durch mein Guckloch, wie eine Frau in der Tür erscheint, vielmehr: ein Stillleben. Das violette Kostüm wie in Gips gegossen, das Gesicht wächsern, die Haare nicht zum Anfassen, sondern zum Abbrechen.
»Mutter«, Piet Hansen erhebt sich, »darf ich dir Herrn Mahlow vorstellen?«
Jetzt wird’s interessant, denke ich. Queen Mom kommt in den Saal, lautlos, nicht einmal das Parkett knarzt. Bei Phil angekommen, bleibt sie
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