Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
war.
»Was ist mit dem Jockey?«, frage ich.
»Wird im Koma gehalten. Ist nicht klar, ob er durchkommt. Befragen können wir ihn auf jeden Fall nicht.«
Wir schweigen uns an. Phil setzt seine Sonnenbrille wieder auf. Rufus versucht, nicht nach Natalie Ausschau zu halten, die nirgends zu sehen ist, was vermutlich bedeutet, dass sie sich im Bau mit einem unserer Brüder aus dem vierten Wurf vergnügt.
»Wie gesagt«, Phil stützt sich mit den Armen auf dem Geländer ab, »sieht alles nach Unfall aus.«
Etwas in seiner Stimme sagt mir, dass er zwar an einen Unfall glauben möchte, aber nicht vollständig überzeugt ist.
»Wie gesagt«, entgegne ich, »die Zebras sind da anderer Ansicht.«
»Die Zebrastuten«, korrigiert Rufus.
Ich ziehe die Schultern hoch.
»Also«, wirft Phil in die Runde, »was machen wir?«
»Wir könnten Störtebeker befragen«, schlage ich vor. »Nur um sicherzugehen. Ich meine, der ist direkt hinter Stardust gelaufen, und zwar von Anfang an. Wenn einem etwas aufgefallen sein müsste, dann ihm.«
»Das würde bedeuten, zu Hansen auf das Gestüt zu fahren.«
»Ist das denn weit weg?«
Phil blickt in den wolkenlosen Himmel, als überlege er, die Picknickdecke mitzunehmen. »Nicht wirklich. Gute Stunde.«
Gute Stunde klingt gut, finde ich. Worauf warten wir dann noch, will ich fragen, doch da schwebt bereits seine Umhängetasche ins Gehege.
Schweren Herzens übergibt Rufus mir das Smartphone. Damit ich Störtebeker die Aufnahmen zeigen kann. Ist, als ob er mir sein externes Gehirn ausleihen würde. Ich lasse es lässig auf mein Kaschmirkissen fallen.
Bevor ich selbst in die Tasche steige, lege ich ihm eine Klaue auf die Schulter. »Ich hab noch eine Bitte …« Über seine Schulter hinweg sehe ich das Kupferdach von Elsas Gehege in der Mittagssonne glänzen.
»Ich weiß schon …« Rufus bedenkt mich mit einem Blick, der besagt, dass, wenn einer sich auskennt in Sachen Liebesschmerz, er es ist. »Ich werde meine Bemühungen, etwas über Elsas Verschwinden in Erfahrung zu bringen, noch einmal intensivieren, okay, Brüderchen?«
Brüderchen? Ich lasse meine Klaue noch einen Moment auf Rufus’ Schulter ruhen, ihn das Gewicht unseres Schicksals spüren, vereint im Leid.
Dann sage ich: »Danke.«
»Kein Ding.«
Vermutlich ist eine »gute Stunde« wirklich nicht besonders lange. Wenn man dabei jedoch ununterbrochen dem Italo-Barden lauschen muss, dessen CD s sich in Phils altem Volvo häuslich eingerichtet haben, dann gelangt man nach einer »guten Stunde« zu einer neuen Definition von »Ewigkeit«.
Amore, e tu
, das vergebliche Streben, das niemals endende Treiben und Getriebenwerden des Lebens, ausgepresst, eingekocht und in Drei-Minuten-Gläser abgefüllt. Da hat man trotz ungetrübten Sonnenscheins nach einer »guten Stunde« große Lust, um eine Rasierklinge zu bitten und sich die sicherste Stelle zeigen zu lassen, um sie anzusetzen.
Erst als wir über das Kopfsteinpflaster der sich verjüngenden Brücke und zwischen den beiden hochaufragenden Steinsäulen hindurchruckeln, die die Einfahrt zu Hansens Anwesen markieren, wird meine Aufmerksamkeit wieder auf das Hier und Jetzt gelenkt.
Hossa!
Hansens bescheidenes Heim ist ein Statement. Bereits von Ferne beeindrucken die herrschaftliche Geste und die wohl gewählten Proportionen von Haupthaus zu Seitenflügeln. Der ovale, buchsbaumgesäumte Vorplatz ist mit frisch geharktem Kies bestreut. In der Mitte erhebt sich eine ebenfalls ovale Raseninsel, in deren Mitte wiederum ein ovaler Brunnen steht. Rufus wäre begeistert.
Der Vorplatz ist zu klein, um Pferderennen darauf auszutragen, zum Warmlaufen jedoch reicht es allemal. Auch zum Autofahren ist er praktisch. Man kann einfach zur einen Seite rein und zur anderen wieder herausfahren. Wie bei einer Tankstelle. Würde mich nicht wundern, wenn Hansen gar nicht wüsste, wo bei seinem Cabrio der Rückwärtsgang zu finden ist.
Apropos Cabrio: Phil stellt seinen Volvo zwischen Hansens blauem Aston Martin und einem Wagen in identischer Farbe ab, der zwar auch irgendwie englisch aussieht, oben allerdings geschlossen ist. »Bentley«, murmelt mein Partner, nachdem er den Motor ausgemacht und unseren Pasta-Cowboy abgewürgt hat. Ich frage nicht nach. Der Wagen erklärt sich von selbst.
Phil ist kaum aus dem Auto gestiegen und hat sich seine Tasche über die Schulter gehängt, da ertönt vom Balkon über uns eine Stimme. »Na, wenn das keine Überraschung ist!« Hansen. Als wäre Phil
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