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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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nicht aus«, bemerkt Stripes schließlich.
    Das ist der Moment, in dem mir dämmert, dass wir das Zebrahaus genauso schlau verlassen werden, wie wir es betreten haben.
    »Voll schräg, irgendwie«, meint Scoubi.
    So weit waren Rufus und ich auch schon. »Was genau meinst du mit ›schräg‹?«, frage ich nach.
    »Na, so – uuurgh«, sie verdreht ihr Vorderbein, »unnatürlich.«
    »So stürzt kein Pferd«, meint Skibby entschieden.
    »Habt ihr eine Erklärung dafür«, schaltet sich Rufus jetzt ein, »weshalb das Pferd trotzdem so gestürzt ist, wie ein Pferd eigentlich nicht stürzt?«
    Trippel-di-trippel-di-trippel … Sechs Zebras, die ihre Streifen aneinanderreiben. Mir dreht sich der Magen um.
    »Der Jockey«, ruft Scoubi plötzlich, »der Jockey war’s!«
    Im nächsten Moment quatschen alle wild durcheinander, und jeder hat seine eigene Theorie, warum Stardust so gestürzt ist, wie er gestürzt ist. Rufus und ich wechseln über das Smartphone hinweg einen Blick. Meiner sagt:
Zeitverschwendung
. Seiner:
Ich fürchte, die Aussagen der Zebras werden nur sehr bedingt verwertbar sein
.
    Ich bedeute Rufus, sein Smartphone auszuschalten, und schließe die Augen, um nicht länger die sich ineinanderschiebenden Streifen sehen zu müssen.
    »Darf ich einen Moment um Ruhe bitten!«, höre ich meinen Bruder rufen.
    Es funktioniert. Die Zebras verstummen.
    »Danke!«, fährt Rufus fort. »Da offenbar einander widersprechende Aussagen vorliegen, werde ich jetzt, um noch zu einem statistisch verwertbaren Ergebnis zu gelangen, eine Abstimmung durchführen.«
    Ich öffne die Augen, tauche in ein schwarz-weißes Streifenmeer, unterdrücke ein Würgen, springe von der Futterluke und renne nach draußen.
     
    Rufus findet mich am Begrenzungszaun, den Kopf durch zwei Streben gesteckt, das Gesicht über meinem Erbrochenen. Diese Streifen! Langsam, sehr langsam, kehrt Ruhe in meine Eingeweide zurück. Rufus steht neben mir und gibt die Ergebnisse seiner Befragung in eine Excel-Tabelle ein.
    »Und?«, frage ich.
    »Um das Ganze verstehen zu können, muss man die Teile verstehen«, sagt er, in seine Zahlen vertieft. »Und um die Teile verstehen zu können, muss man das Ganze verstehen.«
    Ich nehme an, was er meint, ist: Wir sind so schlau wie vorher. Drei der Zebras haben bei der Abstimmung für »dumm gelaufen« gestimmt, die anderen drei für »da hat jemand nachgeholfen«. Interessanterweise glauben die männlichen Zebras ausnahmslos an »Zufall«, die weiblichen an »kein Zufall«.
    Ich überlege noch, was diese Information für unseren Fall bedeutet, als ich vom Landwehrkanal her ein heiseres Röcheln vernehme. Es ist ein Jack Russell Terrier, der an seiner Leine zerrt, als ginge es um sein Leben. Am anderen Ende der Leine zerrt ein älterer Herr, der mich anblickt, als sei ich die ganze Nacht auf Drogenpartys unterwegs gewesen und würde mir jetzt den Restalkohol rauskotzen. Rufus lässt sein Smartphone hinter dem Rücken verschwinden. Nur so – mit Klettband, Schlüssel, LED -Fahrradlampe und rosa Herzchen-Armbanduhr, glaubt er, vollkommen unauffällig auszusehen.
    »Dich möchte ich mal sehen«, rufe ich dem Mann zu, »wie du eine Befragung bei den Zebras durchführst!«
    »Ray, bitte«, mahnt mein Bruder, »das gibt doch nur Ärger.«
    Der Mann, der nur »fauch, fauch« und »quietsch, quietsch« versteht, zieht seinen Köter zu sich heran, beugt sich herab und tut so, als wolle er die Leine lösen. Dabei lässt er mich keinen Moment aus den Augen. Vermutlich hält er mich für eine Ratte und denkt, dass eine weniger von meiner Sorte dieser Stadt nicht schaden kann. Da stimme ich zu. Nur bin ich keine Ratte.
    Der Terrier kann es kaum erwarten, abgeleint zu werden. »Krieg dich!«, röchelt er und schnürt sich selbst die Luft ab, »krieg dich!«
    Ich wische mir die Reste des Erbrochenen von meiner Schnauze, strecke Kung-Fu-mäßig meine Klauen durch die Streben und winke ihn mit zwei abgespreizten Krallen zu mir heran. »Dich mache ich mit geschlossenen Augen fertig, Fiffi!«, rufe ich.
    »Ray«, zischt Rufus, »bitte!«
    »Mach mich los!«, bellt der Terrier.
    Ich lasse meine Zunge aus dem Mundwinkel hängen und äffe ihn nach: »Mach mich los, alter Mann. Mach mich los!«
    Sein Herrchen versteht natürlich nur Bahnhof. Und er hat Zweifel bekommen. Statt Fiffi von der Leine zu lassen, richtet er sich langsam wieder auf. Ich bin ihm nicht geheuer. Wahrscheinlich hat er Schiss, ich könnte seinem Liebling einen Kratzer

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