Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
stehen. Ganz automatisch ist auch mein Partner aufgestanden, hat Haltung angenommen. Manche Menschen bewirken das bei ihrer Umwelt, niemand weiß, wie.
»Guten Tag, Herr Mahlow«, sie reicht ihm die Hand wie zum Handkuss.
Phil ergreift sie: »Tag.«
»Herr Mahlow ist …«, setzt Piet Hansen an, wird aber sofort von seiner Mutter unterbrochen.
»Ich
weiß
, wer Herr Mahlow ist.«
Schweigen. Phils und ihre Hand gehen wieder auf Abstand.
Piet Hansen unternimmt einen zweiten Konversationsversuch: »Wir wollten gerade Tee trinken.«
»Das sehe ich.«
»Ich kann uns noch eine Tasse bringen lassen«, schlägt er vor.
»Vielen Dank, doch das wird nicht nötig sein. Es wartet Arbeit auf mich.« Sagt sie und defiliert aus dem Raum. »Einen angenehmen Tag noch, Herr Mahlow.« Die Flügel der Tür schließen sich.
Peinliches Schweigen. Der Auftritt seiner Mutter ist Piet Hansen unangenehm, doch was könnte er schon sagen?
Das war meine Mutter?
Sind Mütter nicht grundsätzlich peinlich? Hm. Gute Frage. Nicht mehr als Väter, würde ich aus meiner bescheidenen Warte sagen. Nur anders.
Da man ohnehin gerade steht, ergreift Phil die Chance, unauffällig den Grund unseres Kommens anzusprechen. »Ein wirklich beachtliches Anwesen, das Sie da haben«, bemerkt er bei einem Blick aus dem Panoramafenster.
»Vor allem ist es viel Arbeit. Sie ahnen gar nicht, wie sehr Besitz belastet.«
Ich kann das Gesicht meines Partners nicht sehen, doch ich bin sicher, es ist voller Mitleid. »Das da hinten«, er deutet mit dem Finger Richtung Osten, »sind das die Ställe?«
»In der Tat«, bestätigt Hansen und knöpft sich sein Jackett zu. »Wenn Sie möchten, führe ich Sie gerne ein bisschen herum – wo Sie schon einmal hier sind.«
Wie sich herausstellt, haben die Hansens ihre Pferde nicht in einem großen Stall untergebracht. Nicht einmal in vielen kleinen. Stattdessen haben sie eine weit verzweigte Bungalowanlage im maurischen Stil errichten lassen, die schwer nach Cluburlaub auf Malle aussieht. Ähnlich wie die, die in dem TUI -Katalog abgebildet ist, der bei uns im Bau die Runde macht. Einzig der Pool fehlt. Dafür gibt es, kein Witz, eine Pferde-Waschstraße mit rotierenden Naturhaarbürsten. Da wundert es einen schon beinahe, Menschen zu sehen, die wie normale Stallarbeiter aussehen – in Blaumännern und mit lehmverschmierten Gummistiefeln.
Herr Hansen macht ein ziemliches Ding daraus, jeden Angestellten, der ihm über den Weg läuft, mit Handschlag zu begrüßen. Tag hier, Tag da, wie geht es Ihrer Frau, und so weiter. Er will von allen gemocht werden.
Phil versucht es unverfänglich. »Ihr Pferd, das gestern bei dem Rennen gelaufen ist …«
»Sie meinen Störtebeker.«
»Richtig, Störtebeker. Hat der auch eine eigene« – Phil sucht nach dem passenden Wort – »Box?«
»Aber sicher, hier drüben. Kommen Sie. Aber verhalten Sie sich … unauffällig, bitte. Keine hektischen Bewegungen oder so. Der Gute war heute Morgen noch immer ganz verstört wegen des Sturzes gestern. Genau wie ich … Konnte die ganze Nacht kein Auge zutun.«
Wir sind bei Störtebekers Bungalow angelangt, als zu unserem Glück einer von Hansens Angestellten die Aufmerksamkeit des Gestütsbesitzers ablenkt, indem er berichtet, dass die Achillessehne von »Superb« sich seltsam »gestresst« anfühle. Das gibt Phil die Gelegenheit, mich samt Rufus’ Smartphone vor Störtebekers Bungalow abzusetzen und die Tür einen Spalt zu öffnen.
»Hast du irgendwo freilaufende Hunde gesehen?«, frage ich, bevor ich mich durch den Spalt schiebe.
»Nein.«
»Gut, dann treffen wir uns am Wagen.« Und schon befinde ich mich im milden Halbdunkel des Bungalows, alleine mit Hansens Lieblingsgaul, der noch immer ein langes Gesicht macht, ansonsten jedoch nicht verstörter wirkt als ein Fisch bei Regen.
»Hi, Störti, wie geht’s?«
Verwundert blickt Störtebeker sich um. Als er mich vor der Boxentür stehen und winken sieht, lässt er die Schultern sinken. Ich weiß: Es geht eigentlich nicht, dass ein Pferd seine Schultern sinken lässt. Und dennoch …
»Kann man nicht einmal in seinem eigenen Stall seine Ruhe haben?«
»Hör mal: Ich will wirklich nicht lange stören, okay? Aber es gibt etwas, das ich dir zeigen möchte, und anschließend möchte ich dir ein paar Fragen dazu stellen. Wäre das denkbar für dich?«
»Lass mich raten, kleiner Mann: Es geht um Stardust.«
Ich drehe eine Klaue nach oben:
Du hast mich
.
»Wie hast du
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