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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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einer strengen Brille und einer noch strengeren Frisur. Sie hat ihr Telefon zwischen Kinn und Schulter geklemmt und spricht leise, aber deutlich in den Hörer. Ihre Fingernägel sind in einer Farbe lackiert, die in der Natur nicht vorkommt. Als sie Phil erblickt, signalisiert sie ihm mit einem erhobenen Kugelschreiber, er möge sich noch ein klitzekleines Sekündchen gedulden, sie sei gleich für ihn da.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragt sie, nachdem sie aufgelegt und einen Vermerk gemacht hat. Ihr Lächeln ist sehr viel milder als ihre Brille und ihre Frisur.
    »Ich möchte zu Birgit«, Phil lässt es klingen, als hätten Birgit und er bereits im Sandkasten Förmchen getauscht, »Birgit Schimmelpfennig.«
    Jetzt bekommt das Lächeln der Rezeptionistin doch einen etwas strengen Zug. Es nähert sich ihrer Brille an, könnte man sagen. »Worum geht es denn, Herr …«
    »… Mahlow, Phil Mahlow.« Er beugt sich vor, flüstert. »Ist was Privates.«
    Das lässt ihr Lächeln endgültig verschwinden. Ihr – ich nenne die Farbe jetzt einfach mal mintgrün – lackierter Fingernagel fährt eine Namensliste ab. »Siebzehn K.«
    »Danke schön.«
    »Bitte.«
    Wir gehen die Reihen entlang, Pappwand, Gang, Pappwand, Gang … Vor einem Tisch bleiben wir stehen.
    »Hallo Birgit«, höre ich Phil sagen.
    Durch mein Guckloch kann ich nur die Rückseite ihres Monitors sehen, die Lüftungsschlitze, ein paar Kabel. Irgendwo brummt ein Rechner.
    Sie lässt sich Zeit mit der Antwort. Schließlich sagt sie: »Und ich dachte, in diesem Job könnte mich nichts mehr überraschen.«
    »So kann man sich täuschen«, entgegnet Phil.
    Nanu? Höre ich da etwa ein schlechtes Gewissen durch? Ist ja sonst eher nicht so seine Sache – ein schlechtes Gewissen.
    »Lass mich raten: Du bist gekommen, um dir die Uhr zurückzuholen, die du damals in der Eile bei mir hast liegen lassen.«
    »Ehrlich gesagt, hatte ich die längst vergessen. Und wegen damals … Tut mir leid.« Jepp. Da spricht eindeutig das schlechte Gewissen.
    »Was – dass du deine Uhr vergessen hast?«
    »Nein, dass ich es eilig hatte.«
    Ich höre, wie etwas auf den Tisch klopft: tack – tack – tack – tack – tack …
    »Wenn es nicht wegen der Uhr ist, weshalb bist du dann gekommen?«
    »Ich stelle ein paar Nachforschungen an, für ein … für eine Klientin. Es geht um einen Reitunfall …«
    »Ich rate noch einmal: Stardust, Saisoneröffnung Hoppegarten, siebtes Rennen.«
    »Woher weißt du das?«
    »So viele Unfälle dieser Art haben wir hier nicht zu bearbeiten.«
    »Verstehe.«
    »Setz dich.«
    »Danke.«
    Kaum zu glauben, aber neben dem von Birgit ist in ihrer Faltkabine noch Platz für einen weiteren Stuhl. Phil setzt sich und stellt mich auf einem Rollcontainer ab, so dass ich eine halbwegs brauchbare Rundumsicht habe. Birgit ist jünger, als ich nach dem Foto geschätzt hätte. Sieht aber älter aus. Als würde das Leben an diesem Bildschirm sie vorzeitig altern lassen. Neben ihr sind Ablagen an die Pappwand montiert, auf ihrem Tisch liegen Pappordner mit grünen Deckeln. Ein Zierkaktus kämpft ums Überleben. Braucht fast nichts, so ein Kaktus, aber in einem Büro wie diesem wird selbst für ihn die Luft dünn.
    »Möchtest du Kaffee?«, fragt Birgit. Anders als ihr Gesicht ist ihre Stimme jung geblieben, weich, cremig – wie eines dieser Karamellbonbons, die immer an den Krallen kleben wie Sau.
    »Gerne.«
    »
Ich
werde dir sicher keinen holen.«
    »Ahh.«
    Da die Fronten nun geklärt sind, können sich die beiden dem Geschäftlichen zuwenden. Phil erklärt, dass er für seine, äh, Klientin dem Verdacht nachgeht, Sturdusts Unfall könne vorsätzlich herbeigeführt worden sein.
    Birgit zieht ihre Augenbrauen in die Höhe:
Und, weiter
?
    »Kannst du mir sagen, wie hoch der Gaul versichert war?«
    »Wie du weißt, darf ich das eigentlich nicht.«
    »Tust du es trotzdem?«
    Sie zieht ihre Brille ab, legt sie vor sich auf den Tisch, reibt sich die Augen. »Weshalb sollte ich?«
    Phil überlegt. Da wird die Luft dünn. Wie beim Kaktus. Irgendwann ist klar, dass er keine Antwort hat. Es gibt keinen Grund.
    Tack – tack – tack …
    Jetzt weiß ich, was es ist: Birgits Brille. Sie klopft mit dem Bügel auf den Tisch. Schließlich reckt sie ihren Hals, blickt kurz über den Rand ihrer Kabine, reißt einen Zettel von einem Block ab, kritzelt etwas drauf, faltet ihn und schiebt ihn Phil über den Tisch.
    Mein Partner nickt und steckt ihn ein.

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