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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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Wege gehen. Ich lasse derweil meinen Blick die Straße runterwandern. Weiter vorne überquert ein herrenloser Hund die Fahrbahn, beschnüffelt einen Laternenpfahl, überlegt, ob er ihn anpinkeln soll. Schließlich entscheidet er sich für einen Autoreifen. Gegenüber wird eine Haustür geöffnet. Ein Mann in Overall trägt einen Heizkörper auf die Straße, stellt ihn ab, geht wieder rein.
    »Wenn wir beweisen könnten, dass es kein Unfall war«, überlege ich, »dann würde Stöber 165 000  Euro kriegen, richtig?«
    »Richtig.«
    »Und dir würde er dreißig Prozent geben, richtig?«
    »Richtig.«
    »Wie viel ist das so – dreißig Prozent?«
    »In dem Fall wären es … knapp 50 000  Euro.«
    »Ist das auch viel?«
    »Sind keine 165 000 , aber immer noch eine Menge Geld, jedenfalls für einen wie mich.«
    »Und würde ich davon auch was kriegen?«
    »Weshalb fragst du – hast du Schulden?«
    Der herrenlose Hund hat inzwischen den Heizkörper entdeckt und ist sichtlich erfreut, als er feststellt, dass ihn noch niemand angepinkelt hat. Das besorgt er jetzt. Und damit niemand hinterher sagen kann, er hätte gedacht, die Heizung wäre noch ohne Besitzer gewesen, macht er es besonders gründlich: vorne, hinten, in der Mitte.
    »Was glaubst du, kostet ein Flug in die Savanne?«
    Phil nimmt seine Brille ab: »Du willst auswandern?«
    Ich ziehe die Schultern hoch. Meine Krallen tasten sich an den Fensterheber heran. Ich drücke ihn runter, doch das Fenster bewegt sich nicht. Die Zündung ist nicht eingeschaltet.
    »Verstehe«, behauptet Phil, »du willst deinen Wurzeln nachspüren, dahin gehen, wo du eigentlich zu Hause bist.«
    »Zu Hause sein«, überlege ich. »Ist ein großes Wort. Ich bin im Zoo geboren und aufgewachsen, aber wenn du mich fragst, ob das mein Zuhause ist, würde ich sagen: weiß nicht. Ob die Savanne mein Zuhause ist, weiß ich allerdings auch nicht. War ja nie da. Nur hätte ich irgendwann gerne die Chance, es herauszufinden. Vielleicht wüsste ich, wo ich hingehöre, wenn ich mal da gewesen wäre. Vielleicht kann es für einen wie mich auch gar kein Zuhause geben. Aber auch das würde ich gerne herausfinden.«
    »Und deshalb willst du von deinem Anteil nach Afrika fliegen.«
    Ich nicke: »In die Savanne.«
    Er sieht mich an, und ich weiß, was er denkt: Die würden dich nie alleine fliegen lassen, ohne Ausweis und so. Nicht einmal mit Lufthansa.
    »Ich dachte«, sage ich jetzt, »dass wir vielleicht gemeinsam fliegen würden. Du könntest Piroschka besuchen und mir bei der Gelegenheit die Savanne zeigen …«
    »Südafrika ist nicht die Savanne.«
    »Dann machen wir eben einen Ausflug. So weit weg kann’s ja nicht sein, wenn’s beides in Afrika ist. Mietest dir ein Fahrrad oder so, und dann … Wer weiß?«
    Phil nimmt einen Schluck aus seinem Flachmann. Ui, da hab ich eine Seite angeschlagen. Piroschka, Südafrika, die zerwühlten Seidenlaken … Nach einem zweiten Schluck setzt mein Partner die Brille wieder auf. Dann startet er den Wagen.
    »Hätte ich geahnt, dass dich der Besuch bei Stöber derart melancholisch stimmen würde, hätte ich dich im Auto gelassen.«
    »Der jedenfalls hat seinen Platz im Leben gefunden.«
    »Einen Sessel.«
    »Genau. Einen Furzsessel.«
    Die gesamte Rückfahrt über schweigen wir. Sogar der italienische Schnulzensänger schweigt. Abendstimmung nach einem Tag, der einen Vorgeschmack auf die kommenden Monate gibt, auf Partys am See, Brunft, Paarung, satte Farben, brüllende Löwen und röhrende Hirsche. Abendliche Häuserzeilen ziehen an meinem Fenster vorbei. Auf einer Brücke weitet sich plötzlich der Horizont. Unter uns schneiden glühende Schienen eine Schneise durch die Stadt. Der Blick geht weit und verliert sich im Ungefähren.
     
    Im Zoo angekommen, werde ich auf all das zurückgeworfen, was ich den Tag über verdrängt habe. Das Erste und Schlimmste und Wuchtigste ist: Elsa. Ihr Fehlen. Wie ein Loch in meiner Brust. Stattdessen reibt Erwin, der peruanische Fellsack, sein unedles Haarkleid an den Streben des Geheges. Herrgott, ich könnte auf der Stelle unseren Trauergesang anstimmen.
    Was ich in unserem Gehege erblicke, ist leider auch nicht dazu angetan, meine Stimmung zu heben. Natalie hat sich ganz gegen ihre Gewohnheit aus dem Blick der Öffentlichkeit zurückgezogen und lehnt in der Mulde unter dem kleinen Felsen. Die Erklärung dafür ist, dass sie irgendwo einen drehbaren Kugelschreiber aufgetan hat, und die Art und Weise, wie sie den

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