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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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hin und her zu schwingen. Als wäre er das Pendel von Kongs Leben, und er müsste es ständig in Bewegung halten. Kong blickt zur Decke, zu den vergitterten Neonlampen: »Der Tod wird überbewertet – habe ich immer schon gesagt. Einer mehr, einer weniger … Kommt nicht drauf an.«
    Ach herrje, jetzt wird er auf die letzten Meter auch noch philosophisch.
    Eine Zeitlang schweigen wir, beobachten das Pendel seines Lebens, wie es langsam hin und her schwingt. Warten, dass es aufhört. Wenn es so ruhig ist wie jetzt, hört man sogar das Summen der Neonröhren.
    »Was führt dich zu mir?«, beendet Kong das Schweigen. Die Frage vom Anfang: Wafüdizum.
    Ich erinnere mich an das Smartphone, das die ganze Zeit schon unter meinem Vorderbein klemmt, zeige es vor und mache ein paar Schritte auf Kong zu. »Ehrlich gesagt: Ich wollte dich um etwas bitten. Ist jetzt vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt, ich weiß, aber, also, wenn du erst einmal tot bist, dann wird es mir wenig bringen, dich darum zu bitten, also …«
    Kong dreht seine Handflächen nach oben. Sein Gesicht bleibt wie immer reglos. Ich deute das mal als: Komm zur Sache, meine Zeit ist begrenzt.
    »Du hast ja bestimmt schon mitgeschnitten, dass Elsa im Winter verschwunden ist. Spurlos. Das dachte ich jedenfalls. Aber jetzt hat mein Bruder Rufus zufällig eine Aufnahme von ihr entdeckt, wo sie drauf ist – was ja irgendwie klar ist, dass sie drauf ist auf der Aufnahme, wenn es eine Aufnahme von ihr ist …«
    Zwei von Kongs Fingern zucken, als winkten sie mich zu sich: Mach hin, Erdmann. Du beginnst, mich zu langweilen.
    »Um es kurz zu machen: Ich hab mich gefragt, wo sie wohl hin sein könnte, Elsa, du weißt ja, dass wir, also ich und Elsa … Naja, auf jeden Fall frage ich mich, was wohl aus ihr geworden sein könnte, als plötzlich dieses Bild auftaucht, auf dem sie zu sehen ist, und zwar nicht allein, sondern mit dieser … Beutelratte, und da dachte ich mir …«
    Kong hebt den linken Zeigefinger. Diese Geste ist eindeutig und schneidet mir augenblicklich das Wort ab: Time is up. Genug geschwatzt, Erdmann.
    »Barney.«
    »Ähh …?«
    »Die Beutelratte«, erklärt Kong, was ihm sichtlich nicht schmeckt. In dieser Beziehung ist er das glatte Gegenteil von meinem Bruder Rufus: Er erklärt nicht gerne. »Der Name ist Barney. War selbst mal Zoobewohner, in Hamburg. Nachdem er sich aus Trinidad hat einschiffen lassen. Musste das Land verlassen. Irgendwann kam er nach Berlin. Hat seine Füße in mehr Unternehmungen, als du Krallen an den Klauen hast. Als Elsa noch durch die Clubs tingelte, war Barney ihr Manager. Nannte sich jedenfalls so.«
    Der Typ macht mich fertig. Woher weiß der das alles? Mist, denke ich. Da komme ich nie hin. »Du meinst, Elsa ist in ihr altes Leben zurückgekehrt?«
    Kong lehnt sich zurück. »Ich meine, deine Audienz ist beendet, Ray.«
    »Oh, okay, verstehe.«
    »Gut.«
    »Und weißt du vielleicht auch, wo ich diesen Barney …«
    Da ist er wieder: Der erhobene Zeigefinger. Schweig still, Erdmann. Die zwei Finger, die mich eben herangewunken haben, schicken mich jetzt in die Röhre zurück.
    Ich klemme mir Rufus’ Smartphone unter die Achsel und trete den Rückzug an. Bevor ich jedoch in die Röhre klettere, drehe ich mich ein letztes Mal zu Kong um. Da wird einem tatsächlich das Herz schwer, wenn man einen wie ihn so in der Ecke liegen sieht. Wie ein Boxer, der in den Seilen hängt. Selbst für einen Titan läuft die Zeit irgendwann ab.
    »Kong?«
    Der Pate schließt die Augen.
    »Also, wenn du echt stirbst jetzt …« Ich blicke mich um. »Irgendwie wirst du mir schon fehlen.«
    Der Reifen schwingt lautlos vor und zurück. »Du solltest dir lieber wünschen, dass ich sterbe«, sagt Kong, die Augen geschlossen. »Bei den Gefallen, die du mir inzwischen schuldest …«
    »Klar wünsche ich mir, dass du stirbst«, versichere ich, »also, wenn ich ganz ehrlich bin. Ist ja irgendwie logisch. Aber fehlen wirst du mir trotzdem irgendwie …«
    »Audienz beendet.«
     
    Übermüdet, erschöpft, frustriert, von Eifersucht zerfressen und zum Überlaufen melancholisch stolpere ich auf der Minus-zwei-Ebene an unserem Headquarter vorbei, als Rufus’ Stimme an mein Ohr dringt: »Ah, Ray, gut, dass du da bist.«
    Mein Bruder, der sich noch vor einer Stunde oder so am liebsten selbst in eine Grube voller Puffottern gestürzt hätte, klingt, als wäre er soeben angenehm erfrischt dem Pool entstiegen. So ist er: Gib ihm eine

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