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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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 Nanometer-Lichtschlauch, der mein vegetatives Nervensystem so was von NICHT BERUHIGT , das gibt’s gar nicht. Mein genialer Bruder würde sich an meiner Stelle jetzt vor lauter Verzweiflung die Kralle aufs Ohr hauen, aber so etwas mache ich nicht. O nein. Ich ramme blindlings meinen Kopf in die Wand, und zwar mit solcher Wucht, dass mir die Luft wegbleibt, ich Sternchen sehe und stöhnend auf die Knie sinke.
    Bis ich wieder weiß, wo oben und unten ist und mir die Erdklumpen aus der Nase und den Ohren gepopelt habe, weiß ich, was zu tun ist. Es ist nämlich ganz und gar NICHT so, dass mir das bescheuerte Bild von der Rennbahn helfen würde, mich emotional oder sonst wie von Elsa zu lösen. Das ist alles Bullshit! Hoffnung ist die zweite Seele des Unglücklichen – so sieht’s aus! Goethe – my man! Auch wenn er nicht mit Matthäus in einer Liga gespielt hat. Und das bedeutet: Ich MUSS herausfinden, wer diese Zuhälter-Beutelratte ist, die MEINE Elsa mit Viertelkarätern behängt und ihr den Champagner aus dem Nabel schlürft. Und wenn mein Bruder nicht weiß, wer dieser Sack ist, dann gibt es nur noch einen, der es herausfinden kann.
    Schäumend vor Wut, klemme ich mir das Smartphone unter die Achsel. »Bin gleich wieder da.«
    Rufus zuckt mit der Schulter, nimmt seine Pinzette wieder auf und schaltet die Beleuchtung seiner Lupe ein. Er hat es versucht – mir beim Loslassen zu helfen. Am Ende aber muss jeder seine Suppe selbst auslöffeln. Er beugt sich über die Dose mit den Plastikkrümeln.
     
    Wer zu Kong will, dem »Paten« unseres Zoos, muss zuvor an zwei Türstehern vorbei: Bobby und Robby – einem Westlichen und einem Östlichen Flachlandgorilla. Was man bei Flachlandgorillas im Besonderen wie bei Türstehern im Allgemeinen generell und unter allen Umständen vermeiden sollte, ist, ihnen das Gefühl zu geben, man sei ihnen geistig überlegen. Was in meinem Fall praktisch unmöglich ist. Ich kann nicht so tun, als sei ich genauso blöd wie Bobby. Mir steht also nur die zweite Möglichkeit offen: auf dicke Hose machen. Das nämlich haben Flachlandgorillas ebenfalls mit anderen Türstehern gemein: Sie sind autoritätshörig. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht.
    »Jetzt nicht!«, rufe ich und hebe im Vorbeigehen eine Klaue, bevor Bobby Gelegenheit hat, mich zu fragen, was ich will.
    Das war Nummer eins, denke ich. Leider findet sich mein Kopf im nächsten Augenblick im Schraubstock zweier schwarzbehaarter Finger wieder, ich verliere den Boden unter den Klauen, segele mit rudernden Beinen durch die Luft und lande unsanft zu Bobbys Füßen.
    »Wie war das gerade?«, fragt er.
    Scheiße, ist der riesig, wenn man so direkt vor ihm hockt. Und schwarz. Vergisst man, wenn man länger nicht da war. Aber dann weiß man es wieder.
    Ich entscheide mich für die Flucht nach vorn. Schließlich habe ich eine Mission. »Hör zu, Bobby, ich hab keine Zeit für lange Erklärungen.«
    Als wäre der Rest selbsterklärend, zeige ich das Smartphone vor.
    Nein.
    Nicht selbsterklärend.
    Verstehe.
    »Hier«, ich deute auf das Display, »ist etwas drauf, dass ich deinem Chef un-be-dingt zeigen muss. Und ich kann dir versichern: Wenn er es nicht zu sehen bekommt, willst du am Ende nicht derjenige sein, auf den das zurückfällt.«
    In Zeitlupe lehnt er sich auf die Seite und kratzt sich den Hintern. »Will ich nicht?«
    »Auf keinen Fall«, versichere ich.
    Er untersucht den Finger, mit dem er sich gerade den Hintern gekratzt hat, und macht schließlich eine beiläufige Handbewegung, die so viel heißen soll wie: Immer herein in die gute Stube.
    Ich kraxele die Felsen hinauf bis zur roten Plastikröhre, durch die man in Kongs Privatgemach gelangt. Sofern man durchgelassen wird. Meistens ist Robby die schwerer zu knackende Nuss, was daran liegt, dass die Gorillas aus dem Osten generell argwöhnischer sind. Heute aber habe ich rechtzeitig den rettenden Einfall.
    »Hey, Robby«, ich grüße ihn, als hätte ich schon früher immer mein Pausenbrot mit ihm geteilt, »Bobby hat mir gesagt, ich soll dir ausrichten, dass ich ganz schnell zu Kong muss, weil hier«, ich zeige das Smartphone vor, »etwas drauf ist, das Kong un-be-dingt sehen muss, und dass du am Ende nicht derjenige sein willst, auf den das zurückfällt, wenn Kong es nicht gesehen hat.«
    Robby versucht, sich den Anschein zu geben, als hätte er verstanden, was ich gerade gesagt habe. Und als müsste er darüber nachdenken. Das Für und das Wider abwägen.

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