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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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hat.«
    Pavel seufzt vernehmlich, dann lässt er sich auf sein Kirschkernkissen sinken. »Also gut. Ich gebe zu, dass mein Sehvermögen in letzter Zeit ein bisschen gelitten hat. Trotzdem hab ich einiges mitbekommen in dieser Nacht. War ja auch wegen des Feuers nicht zu übersehen.«
    »Was denn für ein Feuer?«
    »Da drüben irgendwo«, erklärt Pavel und zeigt mit einer seiner kurzen Grabungspfoten nach Südosten.
    Ich laufe in die betreffende Richtung und schaue mich dabei nach Spuren eines Feuers um. Tatsächlich finde ich einen dunklen Fleck auf dem Acker, der sich bei genauerem Hinsehen als Asche entpuppt, die untergegraben wurde. Es dauert nicht lange, bis ich herausgefunden habe, dass hier jemand ganze Arbeit geleistet hat. Von dem, was hier verbrannt wurde, ist nicht der kleinste Fitzel übrig.
    »Die Leiche muss da ganz in der Nähe liegen«, ruft Pavel. »Ich hab im Feuerschein genau gesehen, wie der Kerl sie vergraben hat.«
    Ich gehe zurück zu Pavel und schaue ihm tief in die Augen.
    »Gut. Dass mit dem ›genau gesehen‹ ist ein bisschen übertrieben«, erklärt Pavel. »›Schemenhaft erahnt‹ kommt der Wahrheit wohl näher.«
    »Wie weit liegt denn das Grab ungefähr vom Feuer entfernt?«, frage ich.
    »Das kann ich Ihnen ganz genau sagen«, behauptet Pavel. Dann verschwindet er in seinem Bau, um ziemlich lange nicht mehr aufzutauchen.
    Irgendwann wird mir das Warten zu bunt. »Pavel, sind Sie noch da?« Ich würde ja selbst nachsehen, aber der Gang sieht eng aus. Außerdem betritt man nicht einfach ungefragt einen fremden Bau. Bei uns würde das sofort einen Großalarm auslösen.
    »Moment! Ich komme schon!«, höre ich Pavels Stimme dumpf aus dem Gang tönen.
    Zu meinem großen Erstaunen taucht der Kopf des Maulwurfs kurz danach unweit der Feuerstelle auf. Während der Maulwurf sich zügig und kerzengrade aus dem Boden arbeitet und sofort mit der sorgfältigen Befestigung seines Maulwurfshügels beginnt, ruft er mir zu: »Können Sie mir bitte mein Kissen mitbringen?«
    Ich schnappe mir Pavels Kissen, bei dem es sich tatsächlich um ein altes Kirschkernkissen handelt, und trage es zum anderen Hügel.
    »Genau hier liegt die Leiche«, sagt Pavel und schiebt sein Kissen unter die Grabungspfoten. »Der kleine Finger der linken Hand ragt ein Stück in einen meiner Versorgungsgänge. Wollen Sie mal sehen?«
    Pavel geht ein wenig zur Seite, damit ich einen Blick in den Gang werfen kann. Tatsächlich. Da unten ragt ein menschlicher Finger aus dem Erdreich.
    »Haben Sie noch weitere Gänge in der Nähe der Leiche?«
    Pavel schüttelt den Kopf. »Zum Glück nicht. Die wären außerdem sicher schon zerdrückt worden vom Gewicht des Kerls.«
    »Würde es Sie stören, wenn ich mich da unten mal ein bisschen umschaue?«
    »In meinen Gängen?«, fragt er unbehaglich.
    »Nein. Ich würde mir einen eigenen bauen.«
    »Aber gern! Tun Sie sich keinen Zwang an!« Er stützt sich wieder auf sein Kissen und wartet gespannt, was ich nun mache. Offenbar möchte er seinen privilegierten Sitzplatz gebührend nutzen.
    Ich stelle mich neben Pavels Maulwurfshügel und versuche abzuschätzen, wie die Leiche liegt. Da es sich um den kleinen Finger der linken Hand handelt, den Pavel mir eben gezeigt hat, dürfte der Tote auf dem Rücken liegen, mit dem Kopf in Richtung Osten. Wenn ich also einen Schritt vor Pavels Maulwurfshügel trete und dann zwei, drei Schritte in Richtung Osten gehe, um dort gerade nach unten zu graben, müsste ich die Brust der Leiche freilegen. Mit etwas Glück stoße ich dort nicht nur auf ein Sakko oder eine Jacke, sondern auch auf die Papiere des Toten.
    »Interessante Technik«, stellt Pavel fest, als ich meine Krallen rotieren lasse und dabei Erde, Steinchen und Staub aufwirbele. »Ihr Städter macht gern ’ne große Welle, richtig?«
    »Eigentlich stammt die Technik aus der Savanne«, erwidere ich.
    »Aus der Sa… was?«
    »Aus Afrika.«
    »Oh. Sie kommen aus Afrika.« Er scheint ehrlich beeindruckt. »Ein Singvogel hat mir mal davon erzählt. Muss toll sein.«
    Ich halte inne. Da ist sie wieder. Diese merkwürdige Sehnsucht nach der Savanne. Manchmal überfällt sie mich, obwohl ich noch nie dort war.
    »Was gefunden?«, fragt Pavel und holt mich schlagartig zurück nach Brandenburg.
    Zu meinen Füßen schimmert blasse Haut durchs Erdreich. Vorsichtig säubere ich die Stelle und staune darüber, dass die Leiche nackt ist. Oder ist nur der Oberkörper entblößt? Ich grabe in Richtung Westen und

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