Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
Vom Netzwerk:
wie ich es tue.
    Hansen, eben noch entspannt und freundlich, wirkt bestürzt. Angefangen bei der Nasenspitze, wird sein Gesicht binnen Sekunden bleich.
    »Woher haben Sie das?«, bringt er mühsam hervor. Es klingt, als würde er Schlimmstes befürchten.
    Phil ignoriert die Frage. »Gehört das Ihnen?«, fragt er seinerseits.
    Piet Hansen nickt stumm, zieht ein Stück Stoff aus seiner karamellfarbenen Hausjacke und legt es auf den Tisch. Es hat nicht nur die gleiche Farbe wie das angekokelte Stück, sondern auch das gleiche Monogramm.
    »Ganz offensichtlich war das einmal eines meiner Taschentücher«, erklärt Piet Hansen. »Ich lasse sie in Genua von einer alten Seidenmanufaktur herstellen. Und da man mir dort versichert hat, dass es sich um Unikate handelt, ist Leugnen wohl zwecklos.«
    »Das klingt, als hätten Sie etwas zu verbergen«, bemerkt Phil argwöhnisch. »Dabei kann es ja durchaus vorkommen, dass man ein Taschentuch, auch wenn es noch so wertvoll ist, schlicht verliert.«
    Hansen nickt bedächtig. »Das stimmt. Aber ich habe keines meiner Taschentücher verloren, Herr Mahlow. Ich habe allerdings eines … verliehen. Und deshalb frage ich Sie noch einmal: Woher haben Sie das?«
    Es klopft, und Maisie bringt die Drinks. Phil wartet in aller Ruhe, bis das Dienstmädchen den Raum wieder verlassen hat. Bevor er fortfährt, nimmt er gemächlich einen großen Schluck Whisky. »Wir haben dieses Stück Stoff bei einer Leiche gefunden.«
    Augenblicklich herrscht bleierne Stille. Der Satz wiegt schwerer als der kilometerlange Trümmer, der den Hansens als Esstisch dient.
    Piet Hansen ist erstarrt. Langsam und zunächst fast unmerklich beginnt seine Unterlippe zu beben. Dann ist ein leiser, aber schnell anschwellender Klagelaut zu hören, und schließlich bricht der sonst so gefasst wirkende Mann in Tränen aus.
    Ich sehe Phil an, dass er damit nicht gerechnet hat. Erstaunt mustert er das heulende Elend auf der anderen Seite des Tisches.
    »Ich … ich … habe ihn nicht …«, bringt Hansen unter Tränen hervor. »Nein … Ganz im Gegenteil … ich schwöre Ihnen, Herr Mahlow …«
    Phil schweigt betroffen. Offenbar ist er ebenso wie ich der Überzeugung, dass Hansen uns kein Theater vorspielt, sondern gerade tatsächlich ins tiefste innere Mark getroffen ist.
    Phil steht auf, geht um den Tisch herum und legt Hansen eine Hand auf die Schulter. Sofort greift der nach Phils Arm und zieht ihn etwas näher zu sich. Phil ist die Situation unangenehm, das sehe ich, aber mit Rücksicht auf Hansens Gemütszustand lässt er dessen Vertraulichkeiten zu.
    Es dauert eine Weile, bis unser ehemaliger Auftraggeber sich wieder einigermaßen im Griff hat. Unterbrochen von Hansens Heulattacken, hat Maisie in der Zwischenzeit nicht nur Fasanenpastete mit Chutney und frischem Brot aufgetragen, sondern auch ein weiteres Gedeck für Phil aufgelegt sowie Wasser, Rotwein und Single Malt bereitgestellt. Hansen hat versprochen, alles zu erzählen, was er weiß, aber zur Bedingung gemacht, dass Phil ihm in dieser schweren Stunde beisteht, indem er wenigstens zum Essen bleibt. Und vielleicht auch noch auf den einen oder anderen Drink.
    Als Maisie sich verabschiedet hat, gießt Hansen zwei große Whisky ein, um auf das Wohl des Verstorbenen zu trinken.
    »Er war vielleicht ein großes Schlitzohr«, sagt Hansen. »Aber eines mit einem sehr, sehr großen Herzen.«
    »Waren Sie beide befreundet?«, fragt Phil, kippt seinen Drink in einem Zug und lässt sich von Hansen großzügig nachschenken.
    »Nicht nur das«, erwidert Hansen nach kurzem Zögern, und wieder ist das Funkeln in seinen Augen zu sehen. »Um ehrlich zu sein: Wir waren ein Paar, zumindest ein wundervolles Wochenende lang.«
    Phil setzt erstaunt das Glas ab, was Hansen als Zeichen versteht, es noch einmal mit Single Malt zu füllen.
    »Ich bin schwul«, erklärt Hansen mit einem gewinnenden Lächeln. »Stört Sie das?«
    Phil schüttelt den Kopf. »Nein. Überhaupt nicht.«
    Wieder lächelt Hansen. »Fast niemand weiß das. Homosexualität ist in unserer Branche ähnlich verpönt wie in anderen eher männlich dominierten Sportarten. Zum Bild des stolzen Pferdebesitzers gehört es nun einmal, dass er dominant und heterosexuell ist. Ich bin weder das eine noch das andere, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Er gießt Phil nach und tut dann beiden Fasanenpastete, Chutney und frisches Brot auf. Der Geruch der Pastete zieht in Phils Tasche und raubt mir fast die Sinne. Ich werde

Weitere Kostenlose Bücher