Dumm gelaufen: Roman (German Edition)
finde meinen Verdacht bestätigt. Keine Kleidung. Rein gar nichts. Schlagartig wird mir klar, dass der Mörder den Toten ausgezogen und dann dessen Kleider verbrannt hat. Deshalb das Feuer. Das flauschig-weiche Stück Stoff mit den Zeichen darauf gehörte also dem Opfer.
»Das Gesicht würde ich mir an Ihrer Stelle nicht anschauen«, empfiehlt Pavel. »Ich hab mal einen Blick riskiert. Sieht übel aus. Es hat den armen Kerl frontal erwischt. Doppelläufige Schrotflinte, vermute ich. Ist ja hier in der Gegend weit verbreitet.«
»Danke. Sie haben mir sehr geholfen«, sage ich zu Pavel.
»Nehmen Sie den jetzt mit?«, will der Maulwurf wissen.
»Das entscheidet mein Partner«, antworte ich und beginne die Leiche wieder zu verscharren.
»Gute Arbeit«, sagt Phil, als wir etwas später gemeinsam an Pavels Maulwurfshügel stehen. Ich gebe das Kompliment an unseren Augenzeugen weiter, und der freut sich.
Nachdenklich lässt Phil das rosafarbene Stück Stoff durch seine Finger gleiten.
»Können wir damit was anfangen?«, will ich wissen.
»Allerdings«, erwidert Phil. »Ich vermute, dieser Stofffetzen war mal ein Taschentuch. Und das hier …« Er zeigt auf die rätselhaften Zeichen. »… nennt man ein Monogramm. Es sind die Anfangsbuchstaben des Besitzers. Und die hier lauten PH . PH wie … Piet Hansen.«
»Aber hier liegt nicht Piet Hansen unter der Erde«, erwidere ich verwirrt.
»Deshalb sollten wir Piet Hansen fragen, wieso sein Taschentuch bei einer Leiche gefunden wurde.«
Kapitel 15
Piet Hansen ist sichtlich erfreut, Phil zu sehen. Wieder werden wir in den pompös ausgestatteten Rittersaal mit der gewaltigen Festtafel gebeten. In weiter Ferne, am Ende des riesigen Möbelstücks, steht ein einsamer Teller. Darauf hockt eine zu einem Schwan geformte, schneeweiße Stoffserviette. Funkelndes Silberbesteck und zwei Kristallgläser für Wein und Wasser komplettieren das Arrangement. Leise Chill-out-Musik ist zu hören. Zusammen mit einer winzigen Blumenvase, in der eine einsame rote Rose steht, soll die Hintergrundmusik wohl für so etwas wie eine behagliche Atmosphäre sorgen. Mich überzeugt das nicht. Für einen, der seine Mahlzeiten grundsätzlich im Kreise der Großfamilie einnimmt, sieht das hier nach einem ziemlich trostlosen Abendessen aus.
»Mutter ist nach Berlin gefahren und bleibt dort über Nacht«, erklärt Piet Hansen. »Einmal im Monat hat sie ihren Bridgeabend, und diesmal ist die Herzogin von Esmarch angereist. Eine sehr alte Freundin unserer Familie. Deshalb speise ich heute allein. Aber vielleicht möchten Sie mir ja Gesellschaft leisten, Herr Mahlow? Maisie hat ihre berühmte Fasanenpastete gemacht. Dazu gibt es frisches Brot, Chutney und einen 85 er Margaux. Na, wie wär’s?«
Phil nimmt Platz, stellt seine Umhängetasche ab und bringt mich dabei in eine gute Beobachterposition. »Danke, aber ich bin beruflich hier«, sagt mein Partner sachlich.
»Das dachte ich mir schon«, erwidert Hansen mit einem freundlichen Lächeln. »Aber der Mensch muss ja trotzdem etwas essen.« Und weil Phil nun doch einen Moment zögert, fügt Piet Hansen hinzu: »Vielleicht sollten wir zunächst einmal einen kleinen Drink nehmen.« Er zupft seine karamellfarbene Hausjacke zurecht. »Ich für meinen Teil hatte einen anstrengenden Tag. Deshalb werde ich mir jetzt einen Aperol Spritz genehmigen. Möchten Sie auch einen Aperol Spritz?« Ich sehe ein Funkeln in seinen Augen. Hansen scheint selbst von der Idee ganz begeistert.
»Haben Sie es auch ein bisschen härter?«, höre ich Phil fragen.
Wieder ist da dieses Funkeln. Diesmal erinnert es mich an Natalies Blick, wenn sie sich einen erotischen Spielgefährten zu angeln versucht.
»Ein bisschen härter«, wiederholt Piet Hansen und leckt sich rasch über die Lippen.
Ich luge zu Phil, dem ebenfalls aufgefallen ist, dass Hansen heute einen leicht entrückten Eindruck macht. Hat Phils einstiger Auftraggeber etwa einen in der Krone?
»Whisky wäre toll.«
»Single Highland Malt?«
»Perfekt.«
Nachdem Hansen die Drinks beim Dienstmädchen in Auftrag gegeben hat, setzt er sich, faltet die Hände und legt sie vor sich auf den Tisch. »Lassen Sie uns das Berufliche rasch hinter uns bringen. Umso eher können wir uns den angenehmen Dingen des Lebens zuwenden.«
Phil nickt, zieht den angekokelten Rest des rosa Taschentuchs hervor und legt ihn ohne ein Wort der Erklärung auf den Tisch. Dabei mustert mein Partner sein Gegenüber genauso aufmerksam,
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