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Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Dumm gelaufen: Roman (German Edition)

Titel: Dumm gelaufen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Matthies
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nie verstehen, warum Menschen Aas für eine Delikatesse halten, wohlschmeckende, knackig-frische Tausendfüßler hingegen für Ungeziefer.
    »Wollen wir es uns nicht da hinten bequem machen?«, fragt Piet Hansen und deutet auf eine wuchtige Ledercouch mit zwei nicht minder wuchtigen Sesseln, die einen künstlichen Kamin umrahmen. Hansen entfacht im Vorbeigehen per Knopfdruck eine bläulich schimmernde Gasflamme. Ich bin beeindruckt. Mir ist zwar schleierhaft, warum jemand im Frühling den Kamin anschaltet, aber unser Gastgeber wird schon wissen, was er tut.
    Phil nimmt seinen Teller, sein Glas und die inzwischen zur Hälfte geleerte Flasche Single Malt und schlendert zur Sitzgruppe. »Wenn Sie wirklich so schwul sind, wie Sie sagen …«
    »Bitte nennen Sie mich doch Piet«, unterbricht Hansen meinen Partner. »Jetzt, wo ich hier intime Details aus meinem Leben ausplaudere, finde ich es unangebracht, wenn wir beide uns weiterhin siezen. Meinen Sie nicht auch?«
    Phil überlegt kurz, dann zuckt er mit den Schultern. »Meinetwegen. Ich heiße Phil.«
    Er hebt sein Glas, und noch bevor er weiß, wie ihm geschieht, hat Piet Hansen sich bei ihm eingehakt, Brüderschaft getrunken und meinen Partner lange und herzlich umarmt. Dann sitzen die beiden auch schon auf dem Sofa, und langsam wird mir klar, dass Phil hier gerade womöglich schnurstracks auf gleichgeschlechtlichen Sex zusteuert. Ihm selbst scheint das nach einer halben Flasche Whisky nicht ganz klar zu sein, obwohl er spätestens seit der Sache mit Piroschka wissen müsste, was bewusstseinsverändernde Substanzen mit seiner Libido so alles anrichten können. Aber vielleicht findet er ja auch Gefallen an der Sache. Ich kenne einige schwule und lesbische Paare im Zoo, die Bilderbuchbeziehungen führen. Überhaupt ist gleichgeschlechtlicher Sex in der Tierwelt ja relativ selbstverständlich, wobei ich persönlich finde, dass die Zwergschimpansen es ein bisschen übertreiben. Aber das ist eine andere Geschichte.
    »Wo waren wir doch gleich stehengeblieben?«, haucht Piet Hansen.
    »Am besten, wir beginnen noch mal ganz von vorn«, erwidert Phil. »Wie hieß denn der Tote überhaupt?«
    »Xaver.«
    »Xaver. Und wie weiter?«
    »Keine Ahnung. Es war nicht wichtig, wer wir waren und woher wir kamen«, erwidert Piet und leckt sich erneut rasch über die Lippen. »Wir haben uns beim White Turf in St. Moritz gesehen und sofort beide gewusst, dass wir füreinander bestimmt waren. Ich würde es sogar Liebe auf den ersten Blick nennen, denn noch bevor wir ein Wort miteinander gewechselt hatten, gab es diese unglaubliche, fast überirdische erotische Anziehung. Das haben wir beide gespürt. Es war wie ein Blitzeinschlag. Wir sind noch an Ort und Stelle in einem Pferdeanhänger übereinander hergefallen und …«
    »Sie müssen mir keine Details erzählen«, unterbricht Phil ein wenig steif.
    »Du«, haucht Piet Hansen. »Wir waren doch schon beim Du, Phil.«
    Er gießt Phil und sich selbst noch einmal eine große Portion Single Malt nach und beginnt sodann, eine Flasche Rotwein zu entkorken, damit sie schon mal atmen kann.
    »Ich habe ihn mit ins Hotel genommen, und die folgenden vierundzwanzig Stunden vergingen wie im Flug. Es war ein Rausch. Eine Symphonie zweier Seelen. Es fühlte sich an, als würden unsere von Wollust dampfenden Körper den Schnee von St. Moritz zum Schmelzen bringen.«
    »Ihr habt euch überhaupt nicht unterhalten?« Phil ist verblüfft. Zügig kippt er seinen Drink und gießt sich ordentlich nach. »Ich meine, nicht mal … zwischendurch?«
    Piet lächelt träumerisch. »Doch. Viel Zeit hatten wir dafür zwar nicht, aber Xaver hat mir erzählt, dass er unter finanziellen Problemen leidet. Jemand schulde ihm eine Menge Geld, aber zum Glück habe er gerade zufällig einen Weg gefunden, wie er es zurückbekommen könne.«
    »Klingt wie eine der übliche Geschichten, die Kleinkriminelle ihren Opfern erzählen, um ein paar Kröten zu ergaunern«, bemerkt Phil.
    Hansen nickt ernst. »Ja. Das dachte ich auch zuerst. Aber zwei Dinge sprachen dagegen.« Er gießt sich einen winzigen Schluck Rotwein ein und lässt ihn mit geschlossenen Augen durch den Mund rollen.
    »Göttlich. Den musst du unbedingt probieren«, sagt er und schenkt auch Phil ein.
    »Du sagtest, zwei Dinge sprachen dagegen«, wiederholt Phil, damit Piet Hansen nicht den Faden verliert.
    »Genau. Es ist kein Geheimnis, dass meine Familie vermögend ist. Wenn es Xaver ums Geld gegangen wäre, dann

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