Dune 01: Der Wüstenplanet
Kindmann.«
Seine Wut kaum verbergend, fuhr Paul auf: »Ich heiße Paul. Und du stündest besser da, wenn ...«
»Wir werden dir einen Namen geben, Männlein«, sagte Stilgar gelassen, »wenn die Zeit der Mihna gekommen ist und du der Probe des Aql unterworfen wirst.«
Die Probe der Vernunft, übersetzte Jessica. Das konnte eine Gefahr für Paul bedeuten, der er sich nicht aussetzen durfte. Mit lauter Stimme sagte sie: »Mein Sohn ist bereits durch das Gom Jabbar geprüft worden!«
Die nun folgende Stille machte ihr klar, daß sie mit dieser Bemerkung voll ins Schwarze getroffen hatte.
»Es gibt sehr viele Dinge, die wir voneinander noch nicht wissen«, ließ sich Stilgar schließlich vernehmen. »Aber wir müssen jetzt wirklich gehen. Es ist besser, wenn wir nicht in der offenen Wüste von der Sonne überrascht werden.« Er ging zu dem Mann hinüber, den Paul niedergeschlagen hatte, und fragte: »Jamis, kannst du weitere Strecken gehen?«
Grunzend erwiderte der Angesprochene: »Er hat mich völlig überrascht. Ein Zufall. Sicher, ich kann gehen.«
»Es war kein Zufall«, entgegnete Stilgar besonnen. »Ich mache dich zusammen mit Chani für die Sicherheit dieses Jungen verantwortlich, Jamis. Diese Leute stehen unter meinem persönlichen Schutz.«
Beim Klang von Jamis' Stimme horchte Jessica auf. Es gab keinen Zweifel: dies war der Mann gewesen, der von den Felsen herunter mit Stilgar gestritten hatte. Es war seine Stimme gewesen, die sie als tödliche Bedrohung empfunden hatte. Stilgar hatte es sogar für nötig halten müssen, einen Befehl gegenüber diesem Mann zu unterstreichen.
Stilgar wandte sich um und winkte zwei Männer seiner Gruppe zu sich heran. »Larus und Farrukh, ihr beide werdet unsere Spuren verwischen. Paßt auf, daß nichts hier zurückbleibt. Seid besonders vorsichtig, denn unter uns sind zwei Leute, die keinerlei Ausbildung haben.« Er wandte sich um, hob den Arm und sagte: »In Doppelreihen – vorwärts, marsch! Wir müssen unser Ziel noch vor Tagesanbruch erreichen!«
Jessica, die neben Stilgar ging, zählte jetzt die Köpfe des Trupps: es waren vierzig, zusammen mit Paul und ihr zweiundvierzig. Und sie dachte: Sie bewegen sich vorwärts wie eine militärische Einheit – sogar das Mädchen Chani.
Paul marschierte eine Reihe hinter Chani. Er hatte das frustrierende Gefühl, von ihr hereingelegt worden zu sein, bereits überwunden. Statt dessen dachte er über das nach, was seine Mutter gesagt hatte: »Mein Sohn ist bereits durch das Gom Jabbar geprüft worden!« Seltsamerweise begann seine Hand bei der Erinnerung an diese Prozedur erneut zu schmerzen.
»Paß auf, wo du hingehst«, zischte Chani ihm zu. »Wenn du so deutliche Spuren hinterläßt, sieht jeder, welchen Weg du genommen hast.«
Paul schluckte. Dann nickte er.
Jessica lauschte den Geräuschen der Truppe, hörte ihre eigenen Schritte wie die Pauls und bewunderte die Art, in der sich die Fremen vorwärtsbewegten. Vierzig Mann, und keines der von ihnen erzeugten Geräusche unterschied sich von den sonst üblichen der Nacht. Sie waren wie eine geisterhafte Armee, die mit flatternden Roben eine Ebene durchquerte. Und ihr Ziel war der Sietch Tabr – Stilgars Sietch.
Dann dachte sie über das Wort Sietch nach. Es stammte aus der Chakobsasprache und hatte sich seit Jahrhunderten nicht verändert. Ein Sietch war ein Zufluchtsort in Zeiten der Gefahr. Die tiefere Bedeutung dieses Wortes begann ihr erst jetzt einigermaßen klar zu werden.
»Wir kommen gut voran«, ließ sich Stilgar vernehmen. »Mit der Unterstützung Shai-Huluds werden wir unser Ziel noch vor dem Morgengrauen erreichen.«
Jessica nickte. Jetzt fühlte sie wieder, wie die Müdigkeit in ihr emporkroch. Alle Kräfte konzentrieren und ausschreiten. Sie überlegte, was sie beim Anblick des Trupps empfand und zog daraus ihre Schlüsse über die Kultur der Fremen.
Ein jeder von ihnen, dachte sie, ist nach militärischen Grundsätzen ausgebildet worden. Welch eine unbezahlbare Kraft für einen verfemten Herzog!
10
In ihrer Beharrlichkeit, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, konnte niemand die Fremen übertreffen.
Aus ›Weisheit des Muad'dib‹,
von Prinzessin Irulan
Gegen Morgengrauen erreichten sie die Grathöhlen. Um sie zu betreten, mußte man sich durch einen sich zwischen aufragenden Felswänden ziehenden Spalt zwängen. Jessica stellte fest, daß Stilgar einige seiner Leute als Wachen einteilte, die rasch an den Felsen emporkletterten.
Paul
Weitere Kostenlose Bücher