Dune 01: Der Wüstenplanet
unter meinem Schutz!« hörte sie Stilgar poltern.
Erst jetzt erkannte sie, wen der Führer der Gruppe angesprochen hatte: Jamis. Und gleichzeitig sah sie, daß Jamis wütend war. Angriffslustig hob er die Schultern.
Jamis, der Mann, der von Paul besiegt wurde! dachte sie.
»Du kennst das Gesetz, Stilgar«, sagte Jamis.
»Und ob ich es kenne«, erwiderte Stilgar mit einer Stimme, der man anhören konnte, daß er trotz allem bereit war, eine offene Konfrontation zu vermeiden.
»Ich habe den Kampf gewählt«, knurrte Jamis.
Jessica machte einige hastige Schritte nach vorn und ergriff Stilgars Arm. »Was hat das zu bedeuten?« fragte sie.
»Es geht um die Amtal-Regel«, erklärte Stilgar. »Jamis fordert das Recht, deine Rolle in der Legende auf die Probe zu stellen.«
»Ich verlange, daß jemand für sie kämpft«, forderte Jamis. »Wenn ihr Kämpfer siegt, so ist das Recht auf ihrer Seite. Aber es heißt ...« – er warf einen Blick auf die anderen Männer – »... daß sie keinen Kämpfer aus den Reihen der Fremen braucht. Und das kann nur bedeuten, daß sie ihren Kämpfer selbst mitbringt.«
Er spricht von einem Zweikampf mit Paul! wurde Jessica in diesem Augenblick klar.
Sie ließ Stilgars Arm fahren und ging einen halben Schritt vor. »Ich bin immer mein eigener Kämpfer gewesen«, stieß sie hervor. »Und deshalb werde ich, der Legende gemäß ...«
»Du brauchst uns nicht unsere eigenen Legenden auszulegen«, unterbrach Jamis sie barsch. »Ich glaube jetzt gar nichts mehr. Ich will Beweise sehen. Wer sagt mir, ob Stilgar dir nicht erzählt hat, was du sagen sollst? Es wäre ein leichtes für ihn gewesen, dich mit allem vollzustopfen, was du benötigst, um uns hinters Licht zu führen.«
Ich bin ihm gewachsen, dachte Jessica, aber das könnte ihrer Auslegung der Legende widersprechen. Erneut fragte sie sich, wie die Missionaria Protectiva auf diesem Planeten vorgegangen war.
Stilgar schaute Jessica an und sagte dann mit leiser Stimme: »Jamis ist einer von denen, die manchen Leuten immer etwas nachtragen müssen, Sayyadina. Da dein Sohn ihn besiegt hat ...«
»Das war ein Zufall!« protestierte Jamis lauthals. »Er hat mich im Tuono-Becken nur mit einem Zaubertrick außer Gefecht gesetzt! Aber jetzt werde ich es ihm zeigen!«
»... auch ich habe ihn besiegt«, fuhr Stilgar fort. »Er hat nichts anderes vor, als durch diese Tahaddi-Herausforderung auch mich zu treffen. Jamis ist einfach viel zu gewalttätig, um jemals einen guten Führer abzugeben. Immer unterliegt er der Ghafla, der Ablenkung. Obwohl er ständig das Gerede von Regeln und Gesetzen im Munde führt, gehört sein Herz doch nur dem Sarfa, der Abwendung von ihnen. Nein, aus ihm kann niemals ein guter Führer werden. Ich habe ihn bisher nur deswegen am Leben gelassen, weil er ein guter Kämpfer ist, wenn wir einer Gefahr ins Auge sehen. Wenn er seinem Zorn erliegt, bildet er auch für uns, seine eigenen Leute, eine Gefahr.«
»Stilgarrrrr!« fauchte Jamis.
Und Jessica wurde klar, daß Stilgar sich bemühte, Jamis gegen sich selbst aufzubringen, damit er nicht Paul, sondern ihn herausforderte. Er sah Jamis an, und dann hörte Jessica, wie er in einem beschwichtigenden Tonfall sagte: »Jamis, es handelt sich hier nur um einen Jungen. Er ist ...«
»Du selbst hast ihn einen Mann genannt«, erwiderte Jamis. »Und seine Mutter behauptete, er habe die Prüfung durch das Gom Jabbar bestanden. Er ist kräftig gebaut und besitzt eine Menge überschüssigen Wassers. Diejenigen, die sein Gepäck getragen haben, sagten, es befänden sich Literjons voll Wasser darin. Literjons! Und wir saugen an unseren Wasserbehältern, sobald sich auch nur ein feuchter Niederschlag gebildet hat.«
Stilgar sah Jessica an. »Ist das wahr? Ihr habt Wasser in eurem Gepäck?«
»Ja.«
»Literjons voll?«
»Zwei Literjons.«
»Was habt ihr mit diesem Reichtum anfangen wollen?«
Reichtum? dachte Jessica. Sie schüttelte den Kopf, als sie der Kälte in Stilgars Stimme gewahr wurde.
»Dort, wo ich geboren wurde«, erklärte sie, »fällt das Wasser vom Himmel und strömt in breiten Flüssen über das Land. Es gibt dort Ozeane, die so groß sind, daß man ihr Ende nicht erkennen kann. Ich bin nicht – wie ihr – an eine Art von Wasserdisziplin gewöhnt. Ich habe es bisher nicht einmal nötig gehabt, darüber nachzudenken.«
Ein Seufzen ging durch die Reihen der Fremen: »Wasser, das vom Himmel fällt ... es strömt in breiten Flüssen über das
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