Dune 01: Der Wüstenplanet
wohl das meint, was Dr. Yueh als Rätsel des Lebens bezeichnet.«
Hawat kicherte. »Und das hat sie geschluckt?«
»Sie drehte beinahe durch. Sie war der Meinung, das Rätsel des Lebens sei kein Problem, das von Menschen zu lösen sei, sondern eine Wirklichkeit, die man erfahren müsse. Woraufhin ich den ersten Lehrsatz des Mentats zitierte: ›Prozesse können nicht erfahren werden, indem man sie anhält. Das Verständnis muß ihrem Ablauf folgen, sich ihm anpassen und mit ihm fließen, um ihn zu erfahren.‹ Was sie aber zu befriedigen schien.«
Es scheint, als käme er allmählich darüber hinweg, dachte Hawat. Aber die alte Hexe hat ihn irgendwie erschreckt. Was hat sie damit bezweckt?
»Thufir«, fragte Paul, »wird Arrakis wirklich so schlimm sein, wie sie sagte?«
»Es gibt überhaupt nichts, was so schlecht ist, wie sie es sich vorstellt«, erwiderte er mit einem freundlichen Lächeln. »Nimm zum Beispiel diese Fremen, die Renegaten aus der Wüste. Ich schätze, daß es von ihnen viel, viel mehr gibt, als das Imperium vermutet. Auf Arrakis leben Menschen, Junge, eine große Menge von Leuten, und ...«, Hawat hob den Zeigefinger bis zur Höhe seiner Augen, »... sie hassen die Harkonnens mit tiefster Inbrunst. Aber du solltest das für dich behalten, Junge. Ich sage dir das lediglich als Stellvertreter deines Vaters.«
»Mein Vater hat mir von Salusa Secundus erzählt«, sagte Paul. »Weißt du, Thufir, mir scheint, diese Welt muß Arrakis irgendwie gleichen. Sie ist vielleicht nicht ganz so schlimm, aber immerhin ...«
»Man erfährt heutzutage nicht mehr viel über Salusa Secundus«, gab Hawat zu. »Unser Wissen ist alt und neue Informationen kommen kaum herein. Aber was man weiß, deckt sich ungefähr mit deinen Vermutungen.«
»Werden die Fremen auf unserer Seite sein?«
»Es wäre möglich.« Hawat stand auf. »Ich werde noch heute nach Arrakis abreisen. Und in der Zwischenzeit wirst du einem alten Mann einen Gefallen erweisen und dich bitte stets mit dem Gesicht zur Tür setzen, nicht wahr? Nicht daß ich denke, hier würde dir eine Gefahr drohen, aber was du hier nicht vergißt, wirst du an anderen Orten auch beherzigen.«
Paul stand ebenfalls auf und umrundete den Tisch. »Du reist heute schon ab?«
»Ja, heute. Und du folgst mir morgen. Wenn wir uns das nächstemal treffen, wird es auf dem Boden einer anderen Welt sein.« Er kniff Paul in den Oberarm. »Und den Messerarm immer frei halten, klar? Und den Schild auf volle Leistung.« Er ließ den Arm fallen, klopfte Paul auf die Schulter, wirbelte herum und ging schnell hinaus.
»Thufir!« rief Paul ihm nach.
Hawat kehrte zurück, blieb auf der Schwelle stehen.
»Und niemals mit dem Rücken zur Tür«, sagte Paul.
Ein Grinsen zog über Hawats faltenreiche Züge. »Das werde ich schon nicht, Junge. Da kannst du Gift drauf nehmen.« Dann war er verschwunden und zog sanft die Tür hinter sich zu.
Paul nahm Hawats Sitzplatz ein und ordnete seine Papiere. Noch einen Tag auf Caladan, dachte er. Er sah sich im Trainingsraum um. Dann gehen wir. Irgendwie wurde ihm erst jetzt richtig bewußt, daß der Abschied von dieser Welt kurz bevorstand. Und ihm fiel noch etwas ein, was die alte Frau über die Summe dessen, was eine Welt ausmachte, gesagt hatte: die Leute, der Schmutz, die Gewächse, die Monde, die Gezeiten, die Sonnen. All das machte die Summe jener Unbekannten aus, die man Natur nannte; eine vage Aufzählung ohne irgendeinen Sinn des Jetzt. Und er fragte sich: Was ist das Jetzt?
Die Paul nun gegenüberliegende Tür sprang auf, und ein untersetzter, ziemlich häßlicher Mann, bepackt mit einem Arm voller Waffen, trat ein. »Nanu, Gurney Halleck«, rief Paul, »bist du der neue Waffenmeister?«
Halleck trat die Tür mit der Ferse zu. »Du denkst sicher, daß ich gekommen bin, um mit dir ein Spielchen zu machen«, sagte er und schaute um sich, als wolle er sich davon überzeugen, daß Hawats Männer auch alles richtig hinausgetragen und alles Nötige für die Sicherheit des herzoglichen Erben getan hatten.
Paul beobachtete, wie sich der häßliche Mann in Bewegung setzte und die eingesammelten Waffen auf dem Trainingstisch aufstapelte. An einem Band über Hallecks Schulter baumelte ein neunsaitiges Baliset.
Halleck wuchtete die Waffen auf einen Haufen und begann sie zu sortieren: die Rapiere, die Bodkins, die Kindjals, die leichten Lähmer, die Bolzen verschossen, und die Schildgurte. Die rosafarbene Narbe auf seiner Wange glühte, als er
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