Dune 01: Der Wüstenplanet
Paul schob den Gedanken daran beiseite.
»Wahrscheinlich habe ich wirklich auf ein Spiel gehofft«, sagte Paul. »Seit einiger Zeit sind die Dinge um mich herum ein wenig ernst geworden.«
Um seine Gefühle zu verbergen, wandte Halleck sich ab. Irgend etwas brannte in seinen Augen. Es war Schmerz in ihm, wie in einer Brandblase, und es schien, als sei dies alles, was von seiner Vergangenheit übriggeblieben war.
Dieses Kind muß schnell die Reife eines Erwachsenen erreichen, dachte er. Und sein Bewußtsein den inneren Zusammenhang brutaler Gefahren.
Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Ich habe gemerkt, daß du spielen wolltest, Junge, und ich bin wirklich der letzte, der sich weigert, dabei mitzumachen. Aber von nun an wird es kein Spiel mehr sein. Morgen gehen wir nach Arrakis. Und Arrakis ist ebenso real wie die Harkonnens.«
Paul berührte mit der flachen Seite der Rapierklinge seine Stirn.
Halleck wandte sich um, sah die Salutsbezeigung und quittierte sie mit einem Nicken. Er deutete auf die Übungspuppe. »Wir müssen noch etwas an deinem Timing arbeiten. Laß mich einmal sehen, wie du den Pappkameraden angehst. Ich werde es von diesem Platz aus beobachten. Und laß es dir eine Warnung sein: Ich werde heute einige dir neue Gegenangriffe ausprobieren. Eine solche Warnung würde dir ein wirklicher Feind niemals zukommen lassen.«
Pauls Gestalt straffte sich. Er stellte sich auf die Zehenspitzen, um seine Muskeln zu spannen. Irgendwie kam er sich unter dem Eindruck dieser ganzen plötzlichen Wechsel erwachsener vor. Er ging auf die Übungspuppe zu, berührte den Schalter an ihrer Hüfte mit der Spitze seines Rapiers und spürte, wie das sich einschaltende Feld seine Klinge beiseite drückte.
»Angriff!« donnerte Halleck, und die Puppe erwachte zum Leben.
Paul aktivierte seinen Schild, parierte und schlug zurück.
Während Halleck die Kontrollen bediente, ließ er keinen Blick von dem Jungen. Sein Bewußtsein schien sich zu spalten: das eine Auge musterte die Bewegungen Pauls, das andere die der Puppe.
Ich bin wie ein mit Wissen gefülltes Lehrbuch, dachte er. Voll mit allen existierenden Tricks und Kniffen – und bereit, jedermann davon profitieren zu lassen.
Aus unerfindlichen Gründen mußte er plötzlich an seine Schwester denken, deren elfenhaftes Gesicht vor seinem inneren Auge erschien. Sie war tot, umgekommen in einem Truppenbordell der Harkonnens. Sie hatte Stiefmütterchen geliebt – oder Gänseblümchen? Er wußte es nicht mehr. Es ärgerte ihn, daß er sich daran nicht mehr erinnern konnte.
Paul konterte einen langsam geführten Schlag der Puppe, riß die linke Hand hoch und durchbrach den Schild.
Wie ein flinker, ausgefuchster Teufel! dachte Halleck. Er hat garantiert heimlich geübt. Es ist weder Duncans Stil noch der meinige.
Dieser Gedanke trug noch mehr zu seiner Traurigkeit bei. Auch ich brauche Lust dazu, dachte er. Und er fragte sich, ob der Junge je gemerkt hatte, wie er nachts einsam in sein Kissen weinte.
»Wären unsere Wünsche wie Fische, würden wir sie mit Netzen einfangen«, murmelte er.
Es war eine Redensart, die seine Mutter stets benutzt hatte, und Halleck wendete sie an, wenn die Dunkelheit des unbekannten Morgens an ihm nagte. Aber ihm fiel auf, daß diese Redensart überhaupt nicht zu einem Planeten paßte, der weder Meere noch Fische kannte.
5
YUEH (yü'ě), Wellington (wěl'ing-tŭn), Stndrd 10 082-10 191; Arzt der Suk-Schule (grad. Stndrd 10 112); verh. m.: Wanna Marcus, B. G. (Stndrd 10 092-10 186?); haupts. bek. gew. weg. s. Verrats an Herzog Leto Atreides (Cf: Bibliographie, Appendix VII / Kaiserliche Konditionierung / und Betrug, Der).
Aus ›Wörterbuch des Muad'dib‹,
von Prinzessin Irulan
Obwohl Paul deutlich hörte, wie Dr. Yueh den Trainingsraum betrat und gleichzeitig registrierte, daß die Stimmung des Mannes nicht die beste war, blieb er ausgestreckt und mit dem Gesicht nach unten auf dem Übungstisch liegen – so, wie die Masseuse ihn zurückgelassen hatte. Nach der anstrengenden Übungsstunde mit Gurney Halleck fühlte er sich herrlich entspannt.
»Du machst einen zufriedenen Eindruck«, sagte Yueh in der ihm eigenen kühlen, etwas seltsam hoch klingenden Stimme.
Paul hob den Kopf und sah die steife Gestalt nur wenige Schritte von sich entfernt stehen. Ein kurzer Blick zeigte ihm, daß Yueh aussah wie immer: in schwarzer Kleidung, mit purpurnen Lippen, quadratschädeligem Kopf und einem herabhängenden Schnauzbart. Die diamantene
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