Dune 01: Der Wüstenplanet
Staubwolken bildeten sich, als sie die schwere Last vor dem Podium fallen ließen.
Stilgar nahm Jessicas Arm und führte sie zu einem Schalltrichter, der die rückwärtige Wand der Bühne bildete, auf der sie standen. Er deutete auf eine aus dem Fels herausgehauene Sitzbank. »Hier wird die Ehrwürdige Mutter sitzen. Aber bis sie kommt, kannst du ihren Platz haben, um dich auszuruhen.«
»Ich bevorzuge es, zu stehen«, erwiderte Jessica.
Dann sah sie den Männern zu, wie sie die Teppiche aufrollten, das Podium damit bedeckten, und musterte die Menge. Es mochten nun zehntausend Menschen sein, die sich auf dem felsigen Grund versammelt hatten.
Und immer noch kamen welche.
Draußen in der Wüste, wußte sie, mußte die Sonne jetzt blutrot untergehen. Hier unten in der Grotte dagegen herrschte das dämmerige Halblicht, eine graue Leere, die sich mit Menschen füllte, die gekommen waren, um mitzuerleben, wie sie ihr Leben aufs Spiel setzte.
Durch die Menschen zu ihrer Rechten bahnte sich jemand eine Gasse. Jessica blickte auf und erkannte Paul, flankiert von zwei Jungen, die sehr selbstsicher wirkten und den Leuten zu beiden Seiten der Gasse finstere Blicke zuwarfen.
»Die Söhne Jamis', die nun die Söhne Usuls sind«, sagte Stilgar. »Sie scheinen ihre Pflicht als Eskorte sehr ernst zu nehmen.« Er warf Jessica ein Lächeln zu.
Sie war ihm dankbar für den Versuch, sie etwas aufzuheitern, aber nicht einmal er würde es schaffen, ihre Gedanken von der bevorstehenden Gefahr abzulenken.
Mir blieb keine andere Wahl, dachte Jessica. Wir müssen rasch handeln, wenn wir uns unseren Platz bei den Fremen sichern wollen.
Paul erklomm die Bühne und ließ die Kinder hinter sich zurück. Vor seiner Mutter blieb er stehen, sah Stilgar an und dann sie. »Was hat das zu bedeuten? Ich dachte, Stilgar hätte mich zu einer Konzilsversammlung rufen lassen.«
Stilgar hob eine Hand und bat um Ruhe. Dann deutete er nach links, wo sich erneut eine Gasse bildete. Es war Chani, die nun erschien. Ihr elfenhaftes Gesicht drückte Trauer aus, und sie hatte den Destillanzug mit einem grünen Wickelkleid vertauscht, das ihre dünnen Arme frei ließ. Auf der Höhe ihrer Schulter trug ihr linker Arm ein grünes Band.
Grün, für die Farbe der Trauer, dachte Paul.
Er hatte von diesem Brauch nur indirekt von Jamis' Söhnen erfahren, als diese ihm erklärt hatten, daß sie aus dem Grund kein Grün tragen wollten, weil sie ihn als Pflegevater akzeptierten.
»Bist du der Lisan al-Gaib?« hatten sie ihn gefragt. Paul hatte deutlich den Djihad in ihren Worten gespürt und war rasch zu einer Gegenfrage übergegangen, die ihm die Information geliefert hatte, daß Kaleff, der ältere der beiden, zehn Jahre alt und der Sohn Geoffs war. Orlop, der jüngere, war acht und Jamis' Kind.
Paul hatte einen seltsamen Tag hinter sich. Die beiden Jungen hatten sich in seinem Auftrag vor dem Eingang der Unterkunft postiert, um die Neugierigen fernzuhalten, während er selbst sich die Zeit gegönnt hatte, seine Gedanken zu sammeln und Pläne zu schmieden, die einen Djihad verhindern sollten.
Jetzt, wo er neben seiner Mutter auf der Höhlenbühne stand und sich die Menge ansah, fragte er sich, ob es überhaupt einen Plan geben konnte, der das Ausbrechen fanatischer Legionen zurückhalten würde.
Chani kam der Bühne jetzt immer näher. Hinter ihr tauchten vier Frauen auf, die eine fünfte in einer Sänfte trugen.
Jessica, die Chanis Erscheinen ignorierte, richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf die Frau in der Sänfte. Es war eine Greisin, ein hageres, vertrocknet aussehendes Wesen mit dunkler Haut und einem dunklen Umhang. Sie trug keine Kapuze, und ihr Haar war zu einem Knoten zusammengebunden.
Die vier Frauen setzten ihre Last vorsichtig am Rande der Bühne ab. Chani half der alten Frau auf die Füße.
Das ist also ihre Ehrwürdige Mutter, dachte Jessica.
Sie stützte sich schwer auf Chani, als sie auf Jessica zuhumpelte, und wirkte dabei wie ein Haufen dürrer Knochen, die man in eine Robe gewickelt hatte. Vor Jessica blieb sie stehen. Sie starrte sie an, bevor sie leise und heiser zu sprechen anfing.
»Du bist es also.« Ihr alter Kopf nickte bedenklich schwach auf ihrem dünnen Hals. »Die Shadout Mapes hatte recht gehabt, als sie dich bemitleidete.«
Rasch und ablehnend erwiderte Jessica: »Ich brauche anderer Leute Mitleid nicht.«
»Das werden wir noch sehen«, keuchte die alte Frau. Mit überraschender Behendigkeit wandte sie sich um und warf
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