Dune 01: Der Wüstenplanet
Reihe von Männern bahnte sich einen Weg durch die Menge. Sie kamen von weit hinten und gingen in Paaren nebeneinander. Jeweils zwei von ihnen trugen einen kleinen Hautsack zwischen sich, der vielleicht doppelt so groß war wie ein menschlicher Schädel. Ihr Inhalt gluckerte.
Die ersten beiden legten ihre Last am Rand der Bühne, genau vor Chanis Füßen, ab und traten ein paar Schritte zurück.
Jessica sah sich zuerst den Sack und dann die Männer an. Sie hatten die Kapuzen zurückgeschlagen und zeigten langes Haar, das im Nacken zusammengerollt war. Dunkle Augenhöhlen erwiderten ihren Blick bewegungslos.
Aus dem Sack stieg ein starker Zimtgeruch auf, den Jessica sofort wahrnahm. Gewürz? fragte sie sich.
»Ist dort Wasser?« fragte Chani.
Der Wassermeister, der links vor ihr stand, ein Mann mit einer purpurnleuchtenden Narbe auf der Stirn, nickte einmal. »Dort ist Wasser, Sayyadina«, sagte er. »Aber wir können nicht davon trinken.«
»Ist dort Samen?« fragte Chani.
»Dort ist Samen«, bestätigte der Wassermeister.
Chani kniete nieder und legte beide Hände um den leise gurgelnden Sack. »Gesegnet sei das Wasser und der Samen.«
Irgend etwas an diesem Ritus kam Jessica bekannt vor. Sie sah auf die Ehrwürdige Mutter Ramallo. Ihre Augen waren geschlossen und erweckten den Eindruck, als sei die alte Frau bereits eingeschlafen.
»Sayyadina Jessica«, sagte Chani plötzlich.
Jessica wandte den Kopf und sah, daß das Mädchen bereits vor ihr stand.
»Hast du das gesegnete Wasser probiert?« fragte sie.
Bevor Jessica antworten konnte, sagte Chani: »Es ist unmöglich, daß du es schon einmal getrunken hast. Du bist eine Fremdweltlerin und hast diese Möglichkeit niemals gehabt.«
Ein Seufzen ging durch die Menge. Jessicas Haare sträubten sich, als sie die ablehnende Haltung der Fremen wahrnahm.
»Die Ernte war groß, und der Bringer wurde vernichtet«, fuhr das Mädchen fort. Sie begann einen Schlauch abzuwickeln, der sich am Ende des Sackes befand.
Die Gefahr um sie herum wurde immer größer, das erfaßte Jessica instinktiv. Sie sah zu Paul hinüber und stellte fest, daß er von der Zeremonie so stark gefangen war, daß er nur Augen für Chani hatte.
Hat er diesen Augenblick irgendwann vorausgesehen? fragte sie sich. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch, dachte an die ungeborene Tochter, die sich darunter befand und dachte: Habe ich überhaupt das Recht, unser beider Leben aufs Spiel zu setzen?
Chani hob den Schlauch an, reichte ihn Jessica und sagte: »Hier ist das Wasser des Lebens, das Wasser, das mehr als Wasser ist. Kan – das Wasser, das die Seele befreit. Wenn du eine Ehrwürdige Mutter bist, öffnet es das Universum für dich. Laßt nun Shai-Hulud das Urteil fällen.«
Jessica fühlte sich in diesem Moment zwischen ihrem noch ungeborenen Kind und Paul hin- und hergerissen. Was Paul anging, das war ihr klar, konnte sie den Schlauch annehmen und die Flüssigkeit des Sackes zu sich nehmen. Als sie sich vornüberbeugte und den Schlauch an die Lippen setzte, erkannte sie deutlich, daß von ihm eine Gefahr ausging.
Die Flüssigkeit hatte einen bitteren Geruch. Es erinnerte sie an eine Reihe bekannter Gifte, obwohl es nicht genau dasselbe war.
»Du mußt jetzt trinken«, sagte Chani.
Es gibt keinen Weg zurück, dachte Jessica. Nicht einmal die Tricks der Bene-Gesserit-Ausbildung konnten ihr jetzt noch dienlich sein.
Was ist es? fragte sie sich. Likör? Eine Droge?
Sie beugte sich über den Schlauch, nahm den Duft von Zimt wahr und erinnerte sich an die Trunkenheit Duncan Idahos. Gewürzlikör? fragte sie sich. Dann stopfte sie die Öffnung in den Mund und begann langsam zu saugen. Es schmeckte nach Gewürz. Eine Art Säure biß ihr in die Zunge.
Chani begann den Hautsack nun zu pressen. Ein großer Schluck spritzte in Jessicas Mund, und bevor sie etwas dagegen unternehmen konnte, hatte sie es auch schon hinuntergeschluckt. Verzweifelt versuchte sie, ihre Kühle zu bewahren.
»Ein kleiner Tod ist schlimmer als der Tod selbst«, sagte Chani. Sie starrte Jessica abwartend an.
Und Jessica erwiderte ihren Blick. Noch immer hielt sie den Schlauch zwischen den Zähnen. Sie spürte die Flüssigkeit nun auf dem Gaumen, in ihrer Kehle und konnte sie riechen. Sogar ihre Augen nahmen sie wahr – eine bittere Süße.
Kühl.
Erneut drückte Chani auf den Sack. Die Flüssigkeit füllte Jessicas Mund.
Zart.
Jessica musterte Chanis Gesicht und ihre an eine Elfe erinnernde Figur. Sie erinnerte sie
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